Freitag, 29. Februar 2008
Gibt es intelligentes Leben?
Dieter Nuhr schreibt auf Seite 40 in seinem Buch „Gibt es intelligentes Leben?“:

„Nach dem Niedergang der großen Ideologien glauben ja viele, dass Heil liege im Glauben. Das Schöne am Glauben ist, dass man ihn nicht begründen muss. Wer glaubt, dass zwei und zwei fünf ist, hat immerhin die Glaubensfreiheit auf seiner Seite. Insofern kann man auch unsinnige Sachen glauben. Wenn man nur genügend Leute findet die mitglauben, wird sogar eine Religion daraus. Dann kann man sogar glauben, dass ein allwissender Gott die Menschen geschaffen hat, um später, völlig überrascht von dessen Schlechtigkeit, Strafen für ihn zu ersinnen und ihm am Ende vor Gericht zu stellen. Das ist ein hirnverbrannter, in sich widersprüchlicher Schmarren. Dennoch ist dieser Gedanke Grundlage großer Religionen.“

Tja, was sacht man dazu …

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"Ein Komödiant",
so heißt es in Goethes Faust, "könnt einen Pfarrer lehren". Aber deswegen sollte man von einem Comedian nicht unbedingt tiefergehende theologische Einsichten erwarten. Es ist Polemik, zum Teil billige Polemik. Und wenn man bösartig wäre, könnte man Dieter Nuhr vorhalten, dass er sich nicht an seinen eigenen Ratschlag hält: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten." Aber so bösartig will ich gar nicht sein, sooo komplett unwitzig finde ich diese Art Polemik auch wieder nicht. ;-)

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Na, der Rest ist meist witziger. Das hier leider nicht. Nuhrs ganzer Spott — ja die ganze Pointe — baut auf eine einzige zweifelhafte Behauptung, die er nicht mal belegen kann. Gott war nicht überrascht von der Schlechtigkeit der Menschen. Folglich musste er sich auch nichts ersinnen. Er wusste genau, was er von uns Menschen zu erwarten hatte. Deswegen hat er das Sühnopfer bereitet. Deswegen hat er seinen einzig gezeugten Sohn auf die Erde geschickt. So einfach ist das manchmal.

Erschreckend finde ich jedoch, das ein Dieter Nuhr, ansonsten durch eher intelligenten Witz auffällig, solche einfachen Dinge übersieht. Mir scheint da Zorn drin zu stecken …

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Woher wissen Sie, Herr Götzeclan, so genau, dass Ihr Gott genau wusste, was er von den Menschen zu erwarten hatte? Können Sie das belegen?

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Wie sieht es denn mit dem Gegenteil aus?

Man könnte sich auf die Heiligen Schriften beziehen: Alles nur Geschichtsberichte, geschrieben im Auftrag einer machthungrigen Kaste die das Volk dumm halten will. Man könnte persönliche Offenbarung anbringen: Halluzinationen auf Grund eines üppigen Bohnengerichtes, gepaart mit wenig Schlaf.

Und sonst? Was würden Sie sonst als Beleg anerkennen? Ich könnte Ihnen einen lebenden Propheten anbieten. Wollen wir den fragen?

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Sie hier nicht anranzen. Nichts liegt mir ferner. Aber ich will Ihnen die Unsinnigkeit eines „Beleges“ in dieser Sache vor Augen führen.

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Die Unsinnigkeit eines Beleges bzw. Beweises in Bezug auf Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes ist mir schon klar. Auch glaube ich nicht, dass die Grundlage der großen Religionen darin besteht, "dass ein allwissender Gott die Menschen geschaffen hat, um später, völlig überrascht von dessen Schlechtigkeit, Strafen für ihn zu ersinnen und ihm am Ende vor Gericht zu stellen", wie es der Herr Komödiant ausdrückt. Das ist auch Kwatsch. (Ich bin vielmehr der Meinung, dass ein nicht unwesentlicher Aspekt von vielen Religionen in einer gewissen Entgrenzung des menschlichen Selbst liegt.)

Was ich lediglich von Ihnen erfragte, war, mit welcher Gewissheit Sie für sich in Anspruch nehmen zu wissen, was Ihr Gott weiß und warum er dieses oder jenes getan hat. (Das Gegenteil sieht so aus, dass niemand in Begriffen das Handeln bzw. das Wesen eines "Gottes" auszudrücken vermag.)

Edit: Ich weiß gar nicht, ob wir nicht eigentlich komplett aneinander vorbeireden. Also, was mich wundert und weswegen ich noch einmal nachhake: Sie werfen Herrn Nuhr vor, eine zweifelhafte Behauptung aufzustellen, die er nicht belegen könne, und schreiben ein paar Zeilen weiter von der Unsinnigkeit eines Beleges in dieser Sache (welche "Sache" meinen Sie denn?)

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Woher wissen Sie, Herr Götzeclan, so genau, dass Ihr Gott genau wusste, was er von den Menschen zu erwarten hatte? Können Sie das belegen?

Nehmen Sie diese Schriftstelle: Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 3, Verse 16-21

16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat. 19 Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. 20 Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

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Das beantwortet nicht die Frage, ob es Gott von vorn herein klar war, was er da für Wesen in die Welt setzt.

Man könnte natürlich argumentieren, dass wenn Gott, der Schöpfer aller Dinge, so unperfekte Wesen wie den Menschen erschafft, dass es ihn dann auch nicht groß gewundert haben dürfte, dass das Experiment schon im Garten Eden schiefging.

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und nebenbei bemerkt enthalten diese Verse wiedermal all diese typischen Schlüsselformulierungen, mit denen ich persönlich, bei aller Wertschätzung für einige von Jesu Aussagen, überhaupt nichts anfangen kann, weil sie einfach nur unlogisch bzw total willkürlich sind.

16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.

Das ist nur Pseudologik. Das "damit" täuscht eine Begründung vor, die hier letztlich völlig leer bleibt. Der Gedanke, dass "Glaube" zum ewigen Leben führt - und selbstverständlich nur der richtige Glaube an den wahren Sohn Gottes, der unbedingt Jesus Christus zu nennen sei - das ist so logisch wie die Existenz meines rechten Zeigefingers.

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Ach, egal.

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Mir ist das nicht egal. Ich brauche Logik. Sie ist ein Bedürfnis meines Herzens, oder zumindest meiner Menschlichkeit. Ein fundamentales Bedürfnis, das zu bejahen mir in der Tat schonmal Tränen in die Augen getrieben hat, und das für mich ein Aspekt der hier in der Diskussion um 'Selbst-Verleugnung' schon einmal angeführten Selbst-Bejahung ist.
Oder ich drehe den Spieß hier ganz bewußt um und stelle mir das so vor, dass hier eben eine notwendige Etappe der Selbst-Verleugnung und Selbst-Verneinung ansteht. Es geht hier praktisch um eine weitere Form des Opfers und der Hingabe; das Opfer des gesunden Menschenverstands.
Dann soll mir die Lehre das aber bitte klar vermitteln. Dann hab ich wenigstens eine klare Basis, von der aus ich springen kann. (Spricht nicht Kierkegaard vom Sprung aus der Vernunft?) Dann kann ich meinen Verstand behutsam einwickeln, mich von ihm verabschieden und ihn preisgeben.
Leider geht diese Theorie aber nicht ganz auf. Soweit ich mich recht erinnere, redet Jesus ja mit seinen Jüngern und dem Volk durchaus auch logisches Zeug. So weist er den Vorwurf, er würde den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, zurück, indem er die Unlogik dieser Annahmen aufdeckt (zumindest ansatzweise). Und die Formulierung, man solle den Balken aus seinem eigenen Auge ziehen, darf man vielleicht auch so werten, dass man sich ein eigenes Wahrnehmen und Beurteilen durchaus erlauben darf.
Und so geht für mich alles nicht auf, wenn er dann selbst diese logische Luftnummer bringt, dass der "Glaube an ihn" zu Gott führe. Versteh ich einfach nicht. Wenn er doch wenigstens sagen würde "Glaubt an meine Lehre und folgt meinen Vorgaben." Oder darf man sich erstere Formulierung einfach durch letztere ersetzen? Wenn ja, dann ist für mich doch alles klar. Aber so ist es ja nicht, wenn ich das richtig aufgeschnappt habe. Da wird sogar verlangt, an seinen Namen zu glauben! (Hallo???)
Dabei ist der Schluß der Bergpredigt doch wieder so schön logisch:

Matth. 7, 21:
Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.

Der einzige Ausweg aus diesem massiv widersprüchlichen und pseudologischen Gestrüpp ist für mich also letztlich, dass ich den Rotstift zücke und einige Stellen aus der Bibel einfach wegstreiche. Erlaube ich mir einfach die Annahme, dass die Bibel in ihrer Überlieferung einfach fehlerbehaftet ist, vielleicht sogar die Annahme, dass ich in meinem Bestehen auf Logik letztlich vom Heiligen Geist geleitet werde...
Obiger Vers wird von meinem Rotstift jedenfalls verschont bleiben.

EDIT: Allerdings wird auch dieser Vers modifiziert; ich nehme ihn als Anlaß, mich aus der oberflächlichen Glaubensforderung völlig rauszulösen. Danach streben, Gottes Willen zu erkennen und zu tun, ist für mich die einzige Bedingung!

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Mir ist Logik auch nicht egal, und ich meine hier nur normales Argumentieren. Einen Schriftbeweis lasse ich nur gelten, wenn sich alle Beteiligten darauf geeinigt haben. Das ist hier nicht der Fall. Ich muß ihn schon wegen 2. Chronik 4,2 ablehnen, weil sonst Pi gleich drei wäre: Und er machte ein gegossenes Meer, von einem Rand bis zum andern zehn Ellen weit, rundumher, und fünf Ellen hoch; und ein Maß von dreißig Ellen mochte es umher begreifen.

Und was kam mir bei Johannes 3,16-21 gleich wieder in den Sinn? Die alte Diskussion um die Gleichberechtigung des Bösen und des Guten, des Lichtes und der Dunkelheit. Es ist ganz klar eine Unsymmetrie zu erkennen, die eigentlich jedem Menschen geläufig ist, die sich in seiner Alltagsprache niederschlägt und dennoch immer wieder geleugnet wird: Das Licht verdrängt die Finsternis. Dadurch wird es heller, besser. Und alle Menschen, die das Böse bzw. die Wahrheit tun, werden in ihrem Verhältnis zum Licht, nicht zur Finsternis beurteilt.

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Hätten Sie, Herr Wuerg, bitte mal einen Satz Heiliger Schrift, den nicht irgendwer irgendwie in Zweifel gezogen hätte? So, oder so? Dann kann ich mich bei der Auswahl meiner Zitate auf den wuergschen Kanon beschränken, und müsste nicht alle Nase lang Kommentare schreiben, die in Ihren Augen wertlos sind, weil ich die falschen Stellen zitiere, die falschen Bücher akzeptiere, der falschen Kirche angehöre und (höchstwahrscheinlich) die falsche Luft einatme. Ehrlich gesagt, es geht mir langsam auf die Eier. Ich glaube, Sie würden nicht mal ein Glas Leitungswasser als das anerkennen was es ist. Und noch etwas. Sie stehen sich selber im Weg. Und Sie haben felsenfest belegbare Beweise, dass sie da gut stehen — ja sogar da stehen müssen. Beweise, die alle akzeptieren können und die der Logik standhalten. Trotzdem stehen Sie sich im Weg. Und das meine ich nicht verächtlich. Auch wenn Ihnen gerade die Galle überkocht vor meiner Impertinenz.

PS: Was, bitteschön, ist denn die Logik wert, wenn sie nur Schriftbeweise akzeptiert, auf die sich alle einigen können? Daraus kann nur Menschenweisheit abgeleitet werden. Denn was, wenn sich die Beteiligten darauf einigen, das Schriftstück nicht zu akzeptieren das die Wahrheit enthält? Solcherart Beweise sind möglicherweise bei der Betrachtung weltlicher Dinge (Physik, Chemie …) wertvoll, bei dem Thema, das wir hier besprechen aber nicht. Mal davon abgesehen, dass ein Schriftbeweis, den alle akzeptieren, auch von Allen! akzeptiert werden müsste. Allen 6-komma-irgendwas-Milliarden Menschen. Ein Kompromiss, gefunden aus Milliarden Meinungen und Empfindlichkeiten. Eine Lachnummer …

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Soweit ich Herr Wuerg richtig verstanden habe, so meint er nicht, dass ein Beweis darin besteht, dass alle Beteiligten sich darauf einigen.
Es geht um die Grundlage, von der aus "Beweise" gebildet werden können, und dass dies hier ein interreligiöses Diskussionsblog ist. Wenn Sie z.B. einen Hindu hier fragen würden, warum er sich in diesem oder jenem Punkt so sicher ist, und er ihnen als "Beweis" eine Stelle aus der Bhagavad Gita zitiert, dann ist das für die Diskussion etwas unproduktiv, vor allem dann wenn er so tut, als ob das ein Beweis wäre.

Edit: Allerdings habe ich Verständnis dafür, dass der Gläubige dies so sieht bzw. sehen will. Diese (von mir wie gesagt als seltsam empfundene) Forderung, glauben zu müssen, verleitet natürlich dazu, seinen Glauben mit Wissen zu verwechseln. Ja, man könnte sagen, dass es bei einer Glaubensreligion eben genau darum geht: seinen Glauben mit Wissen zu verwechseln. Dies ist eben die Glaubensdisziplin.

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Herr Götzeclan, Schriftbeweise sind zulässig (besser zugkräftig), wenn sich alle zuvor auf die zugrundeliegende Schrift geeinigt haben. Das kann aus tiefer Überzeugung geschehen, aber auch aus (zeitweiser) Vereinbarung. Aus solchen Überlegungen resultierende Aussagen A sind für mich in der Form
gilt die Schrift, so gilt auch A
wahr. Es mag Ihnen nicht gefallen, was ich schreibe. Ich frage mich aber auch, wie sie mit Leuten zurechtkommen, die von der Bibel gar nichts halten. Wahrscheinlich klappt es mit denen besser, weil Sie ihnen keine Schriftbeweise vorhalten. Und ich anerkenne hiermit ausdrücklich, daß ein Glas Wasser ein Glas Wasser ist.

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Wenn sich Menschen auf ein Schriftstück als Beweis einigen, das aber nicht das Original ist, oder es verfälscht, dann mag die Einigung eine gewisse Harmonie erzeugen, aber die Wahrheit bleibt auf der Strecke.

Was wenn keines der beteiligten Schriftstücke die Wahrheit enthält? Man kann sich in Vermutungen bewegen, Möglichkeiten ausloten, aber die Wahrheit wird man auf diese Weise nicht finden. Dieses Vorgehen ist nur für den sinnvoll, der die Wahrheit gar nicht sucht, sondern mit dem Dialog, bzw. mit dem Suchen schon zufrieden ist. Aber der Weg ist nicht das Ziel. Auch die sind zufrieden, die gerne viele Wahrheiten hätten, oder daran glauben.

Ich glaube, das es nur eine Wahrheit gibt, und die ist unabhängig von Übereinkünften durch Menschen. Wahrheit ist immer absolut. Aus diesem Grund ist eine Übereinkunft für mich schon grundsätzlich wertlos als Quelle der Wahrheit.

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Gewiß findet man die Wahrheit nicht durch Abstimmung, gleich­wohl die sog. Schwarm­intelligenz sich derzeit großer Belieb­heit erfreut. Zwingend erforderlich ist die Verträg­lichkeit aller Wahr­heiten miteinander. Ein schönes Kriterium ist die Einfach­heit. Auch der Grad der Anerken­nung durch andere kann mitunter ein Hinweis sein. Und da unter­scheiden wir uns, Herr Götzeclan:

Gewiß bin ich nicht einer, der sich von Mehrheiten beein­drucken läßt. Sonst würde auch ich kuschel­bloggen. Was sich aber millionen­fach bewährt hat oder von vielen gebil­deten Mensch für richtig gehalten wird, ist für mich ein guter Anwärter auf Wahrheit.

Sie dagegen scheinen mir der Meinung, daß viele Gegner für die Wahrheit sprechen, weil nur wenige im Licht sind. Wenn ich mich nicht irre, ist dies ein mormo­nisches Erkenntnis­prinzip, dem allerdings auch andere frönen. Vielleicht sollten wir darüber einmal diskutieren.

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Hm,
zumindest hatte ich mehr als einmal den Eindruck, als würde unser geschätzter Kollege G. permanent aus einer Wagenburg heraus argumentieren, umzingelt und belagert von Rationalisten und Atheisten, die permanent Brandpfeile der Skepsis auf die Wagen der Glaubenden feuern. Wir haben das dann z.T. mit der damaligen beruflichen Situation plausibel erklärt bekommen, aber so ein bisschen scheint das Prinzip "viel Feind, viel Ehr" tatsächlich hier mit reinzuspielen.

Ich bin nun auch niemand, der automatisch davon ausgeht, dass die Mehrheit näher an der Wahrheit dran sein muss. Aber genausowenig will mir einleuchten, die Mehrheit sei qua Teufelsherrschaft auf der Welt von der Wahrheit abgeschnitten.

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Ich habe ein bisschen die Vermutung, dass hier mit verschiedenen Begriffen von Wahrheit gehandelt wird, nicht? Sie, Herr Götzeclan, sprechen, wenn ich Sie richtig verstehe, von einer Wahrheit, die man nur durch eine persönliche Erfahrung als wahr annehmen kann, einer Seinswahrheit, die sich aber gerade dadurch einer argumentativen Diskussion innerhalb der zwei anderen Wahrheitsmodelle, also der Korrespondenz oder des Konsens, zunächst einmal verschließt, was das Argumentieren hier ziemlich fruchtlos macht (wobei: was fruchtbar ist, allein ist wahr, sachte der Dings aus Weimar; in diesem Sinne wäre ich ja schon ein bisschen neugierig, ob - und wenn ja in welcher Form - Sie, Herr Götzeclan, eine solche Erfahrung gemacht haben, die Sie von dem Vorhandensein einer solchen absoluten Wahrheit überzeugt hat).

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Ich glaube, es trifft die Sache nicht ganz, von mehreren "Wahrheitsmodellen" zu reden. Da scheint mir der gute Wille zur Toleranz dann doch über das Ziel hinauszuschießen. Und "Konsens" ist einfach kein "Wahrheitsmodell". Konsens ist einfach nur Konsens. Man kann sich auch wunderbar im Irrtum einig sein - zu Tausenden.

Klar, Erfahrungswahrheiten kann man kaum vermitteln. Ein beliebtes Beispiel sind ja immer die Farben, wobei die Unmöglichkeit der Kommunikation der Farbwahrnehmung oft zu dem Kurzschluß verleitet, wir nähmen die Farben auch wirklich unterschiedlich wahr und dürften auf keinen Fall vom Gegenteil ausgehen. Ich halte hier dagegen, dass wir immerhin das Indiz haben, dass wir alle das Farbspektrum aufgeteilt in drei Grundfarben wahrnehmen. (drei!)
Man kann also schon ein bißchen drüber reden. Und generell gehe ich davon aus, dass ähnliche Erfahrungen auch ähnliche Assoziationen hervorrufen. Die "Gleichheit" des Menschen hört, denke ich, nicht mit dem Körper auf. Natürlich ist er auch sehr individuell.

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Wahrheit ist für mich wie ein Punkt im Raum. Alles andere ist entweder näher oder weiter davon entfernt. Es gibt nur eine Zahl Pi. Wenn ich das Ergebnis aus 22/7 als Wahr für ∏ einstufe, dann werde ich bei der Berechnung von Kreisbahnen im Orbit mangelhafte Ergebnisse bekommen. Möglicherweise tödliche. Wenn ich den gleichen Wert aber fürs Heimwerken verwende, dann ist der Schaden eher gering, möglicherweise auch irrelevant. Aber 3,1428571 ist halt nicht ∏! Auch wenn sich relevante Bevölkerungsschichten darauf in einem wahrhaft harmonischen, kulturel übergreifenden und bahnbrechenden Konsens darauf einigen: ∏ ist was anderes.

Ich glaube, Menschen neigen dazu die Dinge, die sie betreffen, nur innerhalb ihrer eigenen vier Wände zu bewerten. Religion wird als eine lokale Angelegenheit gesehen. vielleicht noch regional. Daraus resultiert z. B. dass trotz Glaube an eine Wiederauferstehung der Tod als schlimmster Schicksalsschlag eingestuft wird. Natürlich ist der Tod schlimm, aber er ist kein Grund dafür zu sterben. Ich habe viele Menschen gesehen, die unter dem Tod eines Verwandten selber zu einer gebrochenen Person wurden. Wer Religion als lokales Gedankenbild verwendet, also auf diese Welt beschränkt, wird kaum die tatsächlichen religiösen Wahrheiten entdecken. Denn die gehen über das zeitliche (also weltliche) hinaus. Solche Menschen glauben, 3,1428571 ist als Näherungsert für ∏ ausreichend. Sie leben jeden Tag danach.

Wer so denkt, der akzeptiert auch 3,1438571 als Grundlage für weitere Berechnungen. Mancher sieht nicht mal einen Unterschied!

(Sorry, muss mal kurz unterbrechen. Ich schreibe heute Nachmittag/Abend weiter)

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Diesen "Fortsetzung-folgt-Stil" finde ich spannend. Ich frage mich die ganze Zeit, wie sie bald weitermachen.
Diese Analogie mit ∏ kann ich zwar nicht 100%ig nachvollziehen, aber ich habe eine Ahnung.
Vor allem aber frag ich mich, wie Sie später irgendwann mal die Kurve kriegen werden, von solchen abstrakten Ausführungen bis hin zu solch "Wahrheiten" wie 1) Gott hat einen Sohn, 2) der heißt Jesus Christus, 3) der Glaube an diesen Namen führt zum Heil, etc. - beginnen muß es ja, denke ich, bei 0) die Bibel und diese oder jene Person ist ein verläßliches Zeugnis von Gott.

Was Wahrheit ist, halte ich ja grundsätzlich für gar nicht so kompliziert. Ich möchte darüber sogar kaum reden, denn es verklärt diese einfache Sache.
Welche konkrete Aussage aber nun wahr ist - das ist doch das eigentlich Interessante!

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Auch ich glaube an die eine Wahrheit als Palette dessen, das zutrifft oder einfach nur ist. Was man darunter zu verstehen hat, ist ebenfalls Teil der Wahrheits­findung. Je mehr man sich von Tauto­logien und formalen Aussagen entfernt, desto erfolg­loser wird dieses Unter­fangen bleiben. Daß π eine tranzen­dente Zahl ist, kann als einiger­maßen gesichert gelten. Wer aber in den Bereich des Alttages oder gar des Glaubens vorstoßen möchte, wird mit exakten Methoden zu keinem Ergebnis kommen. Aus dem Glauben können wie aus dem Alltag durchaus wertvolle Erkennt­nisse erwachsen, doch sollte jeder soviel Reflexions­vermögen behalten, nicht alle Un- und Anders­gläubigen in der Finsternis zu wähnen.

Im übrigen kann ich nichts dafür, daß auch das kleine Pi (π) hier saumäßig dargestellt wird.

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(Ok, es sind Kommentare rein gekommen, also schreibe ich hier weiter um den Faden nicht total durcheinander zu bringen.)

Es gibt Menschen, die behaupten dass in Fragen der Religionen es nicht nur eine Wahrheit, möglicherweise gar keine gibt. Das halte ich für falsch. Entweder gibt es keinen Gott, dann sind alle Religionen unnütz und falsch, ja möglicherweise gefährlich, oder es gibt einen Gott. Dann kann man seine Anhänger zusammenfassend als Kirche (von mir aus auch Religionsgemeinschaft) bezeichnen.

Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Gott seine Schöpfung auch weiter beachtet und an ihrer Entwicklung interessiert ist. Sollte das nicht der Fall sein, dann ist das für mich so wie in dem Fall das es keinen Gott gibt, denn Gott fungiert in diesem Fall nur als Schöpfer und sonst nichts – Religionen sind in diesem Fall ebenfalls unnütz da Gott an seiner Anhängerschaft ja nicht interessiert ist. Wozu also die Lieder und Gebete?

Nochmal meine Annahme: Es gibt einen Gott und er ist an unserer Entwicklung interessiert. Ich glaube, dass wir Gottes Schöpfung — also seine Kinder sind. Ich halte es für nur natürlich das Gott sich um seinen Nachwuchs kümmert, so wie gute Eltern es eben tun. Sie lieben ihre Brut, umsorgen sie und helfen ihnen zu werden wie — ja wohin erziehen gute Eltern ihre Kinder? Gute Eltern erziehen ihre Kinder zu selbstständigen und wenn möglich unabhängigen Personen. Ein Vater der Schreiner ist, kann seinem Sohn helfen selber auch ein Handwerker zu werden (oder auch einen anderen Beruf auszuüben). Warum sollte Gott das anders machen? Gott erzieht uns, damit wir selber mal ein Gott werden können. Mir scheint dieser Gedanke sehr nahe liegend.

Ich würde, wenn ich ein Gott wäre, eine Institution errichten, in der meine Kinder die notwendigen Dinge dazu lernen könnten. In der Kirche lernen die Kinder Gottes was notwendig ist selbst ein Gott zu werden. In der Welt dann können sie es anwenden. Ich kann nicht sagen, wie viele Wege es gibt ein Gott zu werden, aber ich denke, dass nur einer davon wirksam ist. Besonders, wenn Gott diesen einen Weg vorgegeben hat.

Jesus sagte: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt wird leben in Ewigkeit. Johannes 11, 25-26

Da auf der Erde die Sterblichkeit wohnt, kann dieses „leben in Ewigkeit“ nur bei Gott sein. Gottes Schule kann nur funktionieren, wenn er der Schulleiter ist, und er die Personen autorisiert, die seine Lehre verbreiten. Wenn aber die Schüler die Sache in die Hand nehmen und eigene Weisheiten mit der Lehre Gottes vermischen, dann hat sich gerade eine Kirche gebildet die nicht mehr den tatsächlichen Weg zurück zu Gott lehrt, sondern Gotte Lehre mit ihren eigenen Lehren mischt. Eine falsche Kirche ist entstanden, da sie das Ziel nicht erreicht. Ich behaupte, das ist in der Zwischenzeit tausendfach passiert.

Ich fasse mal zusammen und sage, wenn es einen liebenden Gott gibt, dann gibt es auch nur eine Kirche.

Wie bekommt man nun heraus, welche Kirche die wahre Kirche ist? Sollte meine Antwort auf die Frage von Interesse sein, dann schreibe ich gerne weiter. Erst mal möchte ich aber den Platz hier freigeben für andere Meinungen.

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Ich verkneife mir
einstweilen die Frage, ob es überhaupt einer Glaubensgemeinschaft bedarf oder ob darin nicht schon ein fundamentaler Grundirrtum besteht. Aber gut, tun wir mal so, als bräuchte es unbedingt einen Glaubensdienstleister. Dann wäre die Frage, wie man den richtigen findet, natürlich schon essentiell.

Bleibt dann immer noch zu erklären, wieso Millionen anderer Menschen aus dieser gegebenen Auswahl andere Dienstleister auswählen und so ziemlich jeder den seinen für den einzig wahren hält. Aber dazu hören wir sicher noch was, und deswegen will ich jetzt stille sein...

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Das „Warum“ hatte ich beschrieben. Sollte es keinen Gott geben ist Religion bzw. Kirche tatsächlich ein Grundirrtum, der sofort korrigiert werden muss.

Und was die Auswahl des „Dienstleisters“ angeht, so denke ich, dass viele (wenn nicht die meisten) die Wahl einer Tradition überlassen, und nicht explizit gewählt haben. Außerdem gilt auf der ganzen Welt: „Wat de Boer niet kennt, freet he nit.“

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Herr Götzeclan, selbstverständlich wollen wir nun wissen, wie man die richtige Kirche findet!

Mein Ansatz kennen Sie ja: Ich hab ein Auge auf Konsistenz; und deswegen fällt für mich ja schonmal jede Kirche raus, die diese Johannesverse ernst nimmt, ohne mir eine tiefere Erklärung anzubieten.

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Gibt es keinen Gott, so entbehrt natürlich jeder Gottesglaube seiner Grundlage. Gibt es aber einen, dann muß es noch lange nicht den einen rechten Glauben geben. Völlig verschie­dene Gruppen könnten im Lichte wandeln, und vermeint­liche Wider­sprüche werden im ewigen Leben vielleicht aufgelöst. Die einfachste Variante besteht in der Vorstel­lung, Gott habe jedem Menschen einen eigenen Weg zu ihm aufgezeigt. Eine Unver­träg­lichkeit mit der einen Wahrheit sehe ich darin noch nicht.

Herr Götzeclan, ich folge Ihnen in der Auffassung, Gott kümmere sich um seine Schöpfung, nicht nur durch die Entsen­dung seines Sohnes in die Welt. Mich wundert nur, wie scheinbar beiläufig Sie zwei Sätze später schreiben: "In der Kirche lernen die Kinder Gottes was notwendig ist selbst ein Gott zu werden." Gewiß haben Sie diese mormo­nische Auffassung verinnerlicht. Sie werden aber verstehen, daß ein normaler Christ dem nicht wort­wörtlich folgen kann, und schon gar nicht bereit sein wird, auch im derzeit einzigen Gott einen ehemaligen Sterblichen von einem anderen Planeten zu sehen.

Auch ihre Zusammenfassung, es gebe genau eine Kirche, wenn es einen Gott gibt, kann ich nicht einfach hinnehmen. Ich meine darin Ihre Auffassung zu lesen, die Kirche der Heiligen der Letzten Tage sei eine richtige und damit auch die einzige. Außerdem ist es nicht zulässig, Kirche abstrakt als die Zusam­men­fassung derer zu betrachten, die an Gott glauben. Und wenn ich diese Menschengruppe einmal als Kirche' definiere, dann weiß ich immer noch nicht, aus wem diese Kirche' besteht und wo sie ihre Tempel hat.

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Danke, Herr Wuerg,
dass Sie meinen Einwand vorweg nehmen. Mir erschließt sich weder das Argument wenn Gott, dann Kirche noch dessen Steigerung, wenn Gott, dann nur eine wahre Kirche. So einfach machen es sich nämlich auch die Muslime mit ihrer Behauptung, zunächst werde jeder Mensch als Muslim geboren, zum Christen, Hindu oder was auch immer mache ihn erst die Erziehung.

Ich tendiere eher zu der Auffassung, dass jede Glaubensgemeinschaft sich auf einen spezifischen Teilausschnitt der höheren Wahrheiten kapriziert und dass infolgedessen durchaus verschiedene Wege zum gleichen Ziel möglich sind. Nicht von der Hand zu weisen ist auch die von Herrn Wuerg angesprochene Möglichkeit, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg zu Gott zu finden hat. Mitgliedschaften in Glaubensgemeinschaften/Kirchen können dabei nützlich und hilfreich sein, müssen aber nicht.

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Wenn es keine wahre Kirche gibt, dann ist eine Suche danach unnötig. Dann kann jeder eine Kirche eröffnen, oder es lassen, denn Kirchen sind in folge dessen unnötig. Wenn jede Lehre gültig ist (weil ja jeder seinen eigenen Weg zu Gott finden kann/muss), dann ist keine gültig, oder ich muss wissen, ob mein Weg der Richtige ist. Wenn jede beliebige Lehre wahr ist brauchen wir keine Lehre. Wenn wir keine Lehre brauchen, benötigen wir auch keine Kirche.

Möglicherweise wollen Einzelne den eigenen Weg zu Gott nicht suchen, sondern nehmen den Pfad eines Anderen. Da kann eine Kirche hilfreich sein, wenn man Kirche als Gruppe Gleichgesinnter in religiösen Fragen ansieht. Aber dann stellt sich wieder die Frage, welcher Weg der richtige ist. Manche meinen Gnade errettet uns. Manche meinen unsere Werke tun es. Vielleicht errettet uns beides oder gar nichts. Vielleicht brauchen wir keine Errettung, vielleicht gibt es keine Errettung. Aber wer kann das sagen?

Wenn wir keine Errettung brauchen, dann können wir dementsprechend tun und lassen was wir wollen. Wozu dann Gebote?

Wenn Werke uns erretten, welche Werke sind das dann? Wer sagt sie uns?

Wenn Gnade uns errettet, wie wird uns die Gnade zuteil? Was müssen wir tun, um unter die Gnade zu fallen? Wenn die Gnade für alle gleich gilt, stellt sich wieder die Frage: Wozu dann Gebote?

Entweder gibt es viele Wege zur Errettung, oder einen oder keinen. Woher soll ich wissen was wahr ist?

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Spannen Sie uns doch nicht so auf die Folter, Herr Götzeclan...

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Wenn jede Lehre gültig ist (weil ja jeder seinen eigenen Weg zu Gott finden kann/muss), dann ist keine gültig, (...)

Zumindest nicht im Sinne von "allgemeingültig". Die Lehre, die für Dich das Nonplusultra und den einzig denkbaren Weg darstellt, kann sich für mich als total unnütze Krücke erweisen, die mir auf meinem Weg nicht weiterhilft. Und ebenso wenig hilfreich wäre es anscheinend für Dich, Deinen Weg ohne die offizielle Lehre Deiner Kirche, die Formalitäten und das Miteinander im Glauben zu suchen. Gleichwohl wüßte ich nicht, auf welcher Grundlage Du plausibel behaupten könntest, Deine Lehre vertrete eine Wahrheit höherer Ordnung als meine persönliche Privatauffassung oder die des Herrn Wuerg.

Du sagst, eine Kirche kann hilfreich sein, ich stimme dem zu und sage aber auch, muss aber nicht. Meine eigenen Erfahrungen spiritueller Natur fanden nicht im organisatorischen Rahmen eines bestimmten Glaubensvereins statt. Sie liegen auch durchaus nicht auf irgendeiner dogmatischen Linie, die ich in irgendeinem der mir bislang bekannten Vereine wiederentdeckt hätte. Also warum sollte ich mein Weltbild in ein fremdgesetztes Korsett schnüren lassen, wozu mir einreden lassen, dass das Einhalten bestimmter Formalitäten mich dem Heil näherbringt. Oder anders gesagt, warum solte ich einen Makler beauftragen, wenn ich auch selber eine passende Wohnung finde?

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Was mich mehr irritiert als ein fanatischer Glaube verbunden mit missionarischem Eifer, sind Argumentationen wie: "Wenn es keine wahre Kirche gibt, dann ist eine Suche danach unnötig. Dann kann jeder eine Kirche eröffnen, oder es lassen, denn Kirchen sind in folge dessen unnötig. Wenn jede Lehre gültig ist, dann ist keine gültig, oder ich muss wissen, ob mein Weg der Richtige ist. Wenn jede beliebige Lehre wahr ist brauchen wir keine Lehre."

"Wenn jede Lehre gültig ist, dann ist keine gültig, oder ich muss wissen, ob mein Weg der Richtige ist." Gibt es auch nur eine einzige Lehre, sei sie gültig oder nicht, so ist der vordere Teil der Aussage (vor dem oder) falsch. Herr Götzeclan, in diesem plausiblem Falle behaupten Sie den hinteren Teil (nach dem oder), daß Sie (oder alle) wissen müssen, ob Ihr (oder ihr) Weg richtig ist. Aber das bleibt eine hier nicht begründete Behauptung.

Gewiß ist die Suche nach der wahren Kirche unnötig, wenn ich schon weiß, daß es keine gibt. Dann kann auch jeder eine Kirche eröffnen oder es lassen, denn das ist völlig unabhängig davon, ob es eine wahre Kirche gibt oder nicht. Aber weshalb sind Kirchen unnötig, wenn es keine wahre (im Sinne von "nicht die einzige wahre") gibt? Falls Sie eine andere Interpretation im Sinn hatten, dann bitte ich Sie, mir die Argumentationskette Schritt für Schritt aufzuschreiben.

"Wenn jede beliebige Lehre wahr ist brauchen wir keine Lehre." Das ist gleichwertig zu: "Wird eine Lehre benötigt, dann gibt es auch eine, die nicht wahr ist." Dem kann ich zustimmen, weil mir die Schlußfolgerung "es gibt eine falsche Lehre" bedingungslos einleuchtet. Doch leider liefern Wahrheiten der Form "wenn 1=2 ist, dann ist auch 1=1" keine Argumentationshilfe.

Doch nun will ich aufhören zu nörgeln und nur noch beweisen, daß es sowohl eine falsche als auch eine wahre Lehre gibt. Sei dazu F die Lehre, daß alle Lehren falsch sind. Wäre F wahr, so wären alle Lehren falsch, also auch F selbst. Also muß F falsch sein. Damit gibt es schon einmal eine falsch Lehre, nämlich F. Da F nun aber die (falsche) Lehre ist, daß alle Lehren falsch sind, muß es unter allen Lehren auch eine richtige geben. Es kann sogar eine benannt werden, nämlich die Lehre L, daß es eine wahre Lehre gibt.

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Nach undundund jetzt auch noch drei Punkte! Ich hatte es hier schon einmal geschrieben, daß ich durch Russells Buch "Warum ich kein Christ bin" zum Glauben kam, von dem immer noch ein paar Reste geblieben sind.

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Ihrem Beispiel fürs Paradoxe folgend, sollte ich vielleicht dieses Buch bestellen. (Ob Russel mit dem, was Sie da im letzten Absatz so veranstaltet haben, einverstanden wäre - ick weeß nich, ick weeß nich ;)

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Aus welchem Grunde sollte Russell damit einverstanden sein?

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"Gibt es nur eine wahre Lehre?"

Ich denke Jakob Böhme hat hier das treffende Gleichnis gegeben: Die Wahrheit als ein Baum. Es gibt gewiß nur einen Stamm, doch verzweigt er sich mit großer Feinheit.
So wird es auch unter Mormonen keine zwei Glaubensbrüder geben, die im Detail genau das gleiche glauben. Dem einen springen z.B. die vielen symbolischen Zahlenangaben in der Bibel ins Gesicht und hält sie für bedeutsam, der andere ist dafür völlig unempfänglich. Im Detail zersplittert es sich. Auch wird jeder die einzelnen Glaubensselemente unterschiedlich gewichten.
Soviel zum Begriff der "einen wahren Lehre". Er macht durchaus Sinn, aber nur wenn man sie sich als Baum vorstellt.

Welche Religion nun für sich behaupten darf, der einzig wahre "Baum des Lebens" zu sein, bleibt damit natürlich noch unbeantwortet. Ich sage: keine. Sie entsprechen nur den unterschiedlichen Hauptästen des einen Baumes. Das heißt nicht, dass alles wahr ist. Die Aussagensysteme der Religionen weichen sicherlich in dem ein oder anderen Punkt von diesem Baum ab, der hier die absolute Wahrheit darstellen soll; auch weil sie sich alle der Sprache und Worte bedienen und nur ungefähre Beschreibungen dieses Baumes sind.
Weder sollte man unkritisch davon ausgehen, dass alles irgendwie wahr ist, noch sollte man eine Verzweigung des Baumes mit dem ganzen Baum verwechseln. Für den praktischen eigenen Weg kann es zwar sinnvoll sein, sich überwiegend durch nur eine Tradition inspirieren zu lassen, doch hüte man sich vor der Anmaßung, die anderen Hauptäste des Baumes pauschal als Irrlehren zu deklarieren. Sei man sich nicht zu sicher.

Leider aber besteht die Disziplin des "Glaubens" für viele in nichts anderem: "sich sicher sein". Hat man sich einmal festgelegt, geht es nur noch darum, sich sicher zu sein. Je sicherer man sich ist, desto "stärker der Glaube".
Meiner Meinung nach ist dies ein großes Mißverständnis. Wer die Wahrheit erkennen will, sollte dies nicht in sich dulden.

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Herr Wuerg,
der Spruch hier Doch leider liefern Wahrheiten der Form „wenn 1=2 ist, dann ist auch 1=1“ keine Argumentationshilfe. ist mal wieder unbezahlbar.

Ich möchte noch anmerken, dass diese Form der Unlogik auch der Annahme innewohnt, wenn es keine religiöse Lehre gäbe, die begründete Hoffnung auf Errettung weckt, gäbe es auch keine Gebote, und dann könne ja jeder wie er wolle.

Das ist, mit Verlaub, gequirlter Quark. Gebote könnte man auch als Konventionen verstehen, denen irgendwann ein religiöser Überbau aufgepfropft wurde, um ihnen mehr Gewicht zu verleihen, der Priesterkaste ihre Privilegien zu sichern, whatever. Und auch ohne diesen religiösen Überbau kann nicht einfach jeder immer und überall wie er will, ich denke da nur an die Straßenverkehrsordnung, das Bürgerliche Gesetzbuch oder die Genfer Konvention.

Darüber hinaus finde ich die Versuche sehr spannend, religions- und konfessionsübergreifend sowas wie ein Weltethos zu entwickeln. Das muss noch nicht der Weiheit letzter Schluss sein, aber der Ansatz geht meines Erachtens in die richtige Richtung: weltlich regeln, was sich weltlich regeln lässt und den Rest sollen die Götter halt untereinander klären. ;-)

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Meinetwegen kann "die Wahrheit" als Baum gesehen werden, weil es sich ja um das Gesamt­system aller Wahrheiten handelt, die untereinander verbunden sind, wenn auch weit kompli­zierter als ein Baum. Nur eines ist mir wichtig: Wenn ich links hoch­klettere, bricht auch rechts kein Ast ab. Jede neu entdeckte Wahrheit gefährdet eine alte nicht.

Im Baum der Wahrheit gibt es reichlich langweilige Kletter­passagen. Unser Bestreben sollte sein, die interes­santen und bedeu­tenden zu finden. Diskus­sionen um religiöse Wahrheiten versprechen, wenigsten in die Nähe zu kommen. Desto größer ist die Enttäu­schung, wenn Trivia­litäten gedroschen werden, besonders in verschro­bener Formu­lierung. Sie mögen formal wahr sein, sind aber bar jeder Bedeu­tung und für keine weiter­führende Argumen­tation hilfreich.

ex falso quodlibet

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Nu, Herr Wuerg, ich bin kein Mathematiker und von der Logik habe ich nur ein Wissen, das gerade mal, wenn´s überhaupt hochkommt, zum Smalltalk reicht, will sagen, ich sehe oft den Baum vor lauter Blattwerk nicht, aber weswegen ich das mit Russel erwähnte, dass er Ihren letzten Absatz nicht goutieren würde: Wenn Sie als Prämisse setzen "sei F die Lehre, daß alle Lehren falsch sind", dann bilden Sie, wenn ich das richtig sehe, doch eine Antinomie - Negation ("falsch") verbunden mit einem Allquantor ("alle Lehren"), bilden eine „Klasse aller Klassen, die sich selbst als Element enthält", so dass ein Widerspruch entsteht. Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber wenn die Lehre, dass alle Lehren falsch sind, wahr sein sollte, so ist sie selbst also auch falsch und doch gleichzeitig wahr, was vermuten lässt, dass diese Prämisse keine Aussage mit einem Wahrheitswert ist, sondern lediglich ein sprachliches Gebilde, von dem es nicht sinnvoll ist zu sagen, es sei wahr oder falsch. (Dieser Satz ist falsch.)

Darüberhinaus, wenn ich Ihre Anführungszeichen, Herr Wuerg, noch etwas ausbauen dürfte: Wenn in dieser Runde von "der Wahrheit" gesprochen wird, so habe ich ein bisschen den Verdacht, als ob hier der ein oder andere von einer "Wahrheit" als tatsächlich und real existierenden Entität redete, ein Punkt, an dem ich den hier erst kürzlich benutzten Rasierapparat von Ockham ansetzen würde, denn das Adjektiv "wahr" aus einem konkreten Sachverhalt herauszunehmen, mit einem Artikel zu bedenken und es als ein eigenständiges Etwas zu betrachten, sei es als Subjekt oder Objekt, das könnte ja auch nur ein Fallstrick der Sprache sein, ne. Auf wahre Aussagen kann man sich aufgrund einer Übereinstimmung von Gegenstand und Denken einigen (also die Korrespondenztheorie, die ich ob schon mal erwähnte, wobei es hier natürlich problematisch ist, eine Position anzugeben, von der aus sich diese Übereinstimmung zwischen Denken/Begriff/Aussage und Realität überprüfen lässt), aber man kann auch zum Beispiel innerhalb einer Konsensustheorie, die nicht zwingend trivial ist, Herr Gedankenmaler, und auch nicht mit einem faulen Kompromiss zu vergleichen ist, zu wahren Aussagen kommen. (Was ich, Herr Gedankenmaler, weiter oben als eine Erfahrung von Seinswahrheit versucht hatte anzudeuten, will ich jetzt nicht weiter ausführen, aber soviel noch dazu: es hat nichts mit der sinnlichen Wahrnehmungsproblematik zu tun - das von Ihnen angeführte Bsp. mit den Farben ist wohl eher in eines der beiden anderen genannten Felder einzuführen, empirische Sachverhalte regen ja geradezu zur Vermittlung an ;)

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Also mir persönlich wird's jetzt echt zu kompliziert. Unnötig kompliziert.
Lasst uns doch mal ganz einfach denken: Der Satz "Es gibt keine Wahrheit" kann zum Glück eben nicht wahr sein.
Da muss man nicht mit irgendwelchen Begriffen der Mengenlehre und Mathematik um sich werfen.
Es gibt Wirklichkeit ("Gegenstände" und Sachverhalte, über die man Aussagen treffen kann) - und also gibt es auch Wahrheit.

Ja, hier ist die Welt wirklich noch heil.


Edit: Es geht mir erstmal nur um die prinzipielle Gegebenheit des "Prinzips" Wahrheit. Dass nicht alle Wahrheiten beweisbar sind, ist ein anderes Thema. Letztlich ist mir dieses sogar ziemlich egal, weil ich da einfach Pragmatiker bin. Auch brauche ich nicht die Bestätigung anderer, um an meine Wahrheiten glauben zu können. Trotzdem tausche ich mich gerne mit anderen aus.

Ich bin jetzt übrigens dafür, jetzt nicht weiter in diese Feinheiten der Erkenntnis- und Kommunikationstheorie abzudriften.

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Also mir wurde es ein bißchen langweilig. Unnötig langweilig. Und da dachte ich mir einfach: Machste mal einen kleinen Standardspaß aus der naiven Lehrenlehre, die offensichtlich nicht die einzig wahre zu sein scheint.

Und weil keiner fragte, warum ich die beiden Lehren L und F genannt habe: Licht und Finsternis.

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Also mir wurde es ein bißchen langweilig.

Und so würde ich gerne wieder an ihren vorhergehenden Beitrag anknüpfen, in dem Sie ja auch nahegelegt haben, dass wir uns doch mehr auf die interessanten Kletterpassagen im Baum der Wahrheit konzentrieren sollten:

Natürlich sollten wir hier versuchen, die bedeutenden, die Kern-Wahrheiten zu erschließen. Wenn wir das aber konsequent tun würden, würden wir bald an dem Punkt ankommen, an dem wir mit unserem Latein und unserer Logik am Ende sind. So "gnadenlos" sollten wir aber in jedem Fall sein; unser Anspruch, an der Wahrheit interessiert zu sein, gebietet dies.
Hier gilt es meiner Meinung nach für beide Lager, sowohl die eher wissenschaftlichen Philosophen als auch die Gläubigen, etwas evtl. Unbequemes einzugestehen. Erstere, dass das (beweisbare) Wissen eben ziemlich beschränkt ist, und letztere, dass ihr Glaube logisch betrachtet wirklich nur Glaube ist.

Ansonsten können wir hier noch über die Interpretationsmöglichkeiten von Aussagen sowie die besten Begriffs- und Phänomendefinitionen diskutieren.
Meine momentanen Hauptinteressen wären hier die Fragen: Was ist Glaube? Was bedeuten die Johannesverse? Was bedeutet der Spruch "Am Anfang war das Wort"(ff.) ?

Aber eigentlich waren wir ja bei der Frage von Herrn Götzeclan stehengeblieben, wie man denn nun die wahre Kirche findet...
Herr Götzeclan?

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Am Anfang war das Wort -
hier stock ich schon, wer hilft mir fort, so stöhnten schon prominentere Bibelübersetzer und Exegeten. Vielleicht hilft es weiter, sich klarzumachen, dass es im griechischen Text "logos" heißt, und das ist mit "Wort" nun mal serh unzureichend übersetzt.

Ich denke auch, mit formallogischen Spitzfindigkeiten können wir es jetzt mal bewenden lassen. Das Bild mit dem Baum finde ich sehr schön, es hat auch den Vorteil, dass es Wahrheiten unterschiedlicher Ordnung anerkennt. Die Aussage "ich sitze hier vor meinem Rechner" hat einen serh hohen Wahrheitsgehalt im Moment, stellt aber nur ein entferntes Zweiglein ganz weit außen an der Seite der Krone dar. Für grundlegendere Wahrheiten müssen wir von da aus auf dickere Äste klettern und versuchen, uns dem Stamm zu nähern.

Ich finde ja auch immer wieder das Bild sehr anschaulich, sich die allgültige Wahrheit als einen riesigen Kristall mit ganz vielen unterschiedlichen Facetten vorzustelen. Von einem individuellen Standpunkt aus ist immer nur eine bestimmte Facette mit einem eigenen Lichtbrechungswert zu sehen. Und so kommt es, dass keine zwei Menschen ihre Facetten dieses großen Kristalls im gleichen Licht sehen.

Natürlich kann man sich bemühen, einen besseren Standpunkt zu finden, der eine (subjektiv) schönere Lichtfarbe sehen lässt. Es muss auch nicht verkehrt sein, sich mit anderen auszutauschen darüber, was jeder so sieht. Das mag durchaus nützliche Schnittmengen liefern.

Aber ich halte die Suche nach der wahren Kirche mit der allein gültigen Lehre nicht für heilsnotwendig. Aber wie ich bereits sagte: Wer glaubt, ohne diese Krücke nicht weiterzukommen, soll damit halt rumhumpeln wie er lustig ist. Einen Sachzwang, mich dem anzuschließen, vermag ich nach wie vor nicht zuerkennen. Aber wer weiß, was unser geschätztes Gemeinderatmitglied G. noch für Thesen an die Kirchentür nagelt. ;-)

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Im Anfang war das Wort. Dieser Beginn des Johannes-Evangelium hat mich immer schon überzeugt. Was danach kommt, weniger. Zu unseren Diskus­sionen der letzten Tage paßt das in mindest dreifacher Weise.

1. Wie wir nach "der Wahrheit" als der Gesamtheit aller Wahr­heiten suchen, so verstanden die Griechen unter "dem Logos" die Gesamt­heit aller Logoi, die unsere Welt erschufen oder erschaffen mußten, die den Willen Gottes umsetzten oder ihm ihren aufzwangen.

2. Dieser Logos ist nicht nur ein Ausfluß oder der Wille Gottes, sondern auch eine Gott zwingende Kraft, ja eine mit ihm in Gemeinschaft lebende Person, womit wir neben Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist schon eine Fünf­faltigkeit haben.

3. Martin Luther übersetzte mit Wort, und andere Bezeich­nungen sind auch nicht treffender. Das macht deutlich, daß unser Universal­sprache im Ernstfall zu präzisieren ist, vor allem für Diskus­sionen über Logik. Die Mühe haben wir uns nicht gemacht.

Mich hat das Wort Wort überzeugt, lange bevor ich vom Logos hörte. Gott weiß eben, daß zwischen Johannes und mir fast 2000 Jahre und Martin Luther liegen. Deshalb kann ich "das Wort" auch einfach als die Gesamt­heit aller ewig gültigen Worte, nicht Wörter sehen, die in ihrer Schlüssig­keit unsere Welt erzwingen. Ich habe nie geglaubt, daß ein urge­knallter Punkt die wirkliche Arche ist.

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"eine Gott zwingende Kraft"
Ich glaube, dass viele den Fehler machen, so eine Vorstellung zurückzuweisen. "Gott ist allmächtig!", möchten viele beharren. Doch ihnen fehlt das geistige Ebenmaß und Nüchternheit. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe diesen Fehler selbst gemacht.
Das schönste Lehrbeispiel fand ich bei P.D. Ouspensky (einem Schüler Gurdjieffs) in seinem Buch Auf der Suche nach dem Wunderbaren - ungefähr:

Auch der Liebe Gott kann das Pik-Ass nicht mit der Karo Sieben schlagen.

Vielleicht ist es aber ein bißchen irreführend von einer "Kraft" zu reden. Logik, so möchte ich sagen, ist ja nur das Prinzip der Konsistenz. Ein Dreieck kann eben keine vier Ecken haben und es ist nicht Gottes Schuld, dass er sowas nicht zeichnen kann, sondern unser Schwachsinn, überhaupt auf solch unmögliche Ideen zu kommen.


Der These, dass dieses Prinzip der Logik und die damit zusammenhängende Masse unendlicher Worte und Formen unsere Welt erzwingt, kann ich folgen. Sicher ist dies aber nicht die offizielle kirchliche Lehre, oder?


Ansonsten komm ich übrigens nur auf vier, wenn ich zur Dreifaltigkeit den Logos hinzunehme. (?)

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Der Bedeutungsumfang des Wortes logos, Herr Gedankenmaler, erschöpft sich nicht in dem, was wir heute mit Logik im Sinne der Lehre vom gültigen Schlussfolgern bezeichnen. Allerdings glaube ich auch nicht, dass die Verwendung von logos im Johannesprolog mit einer “zwingenden Kraft” gleichzusetzen wäre, Herr Wuerg, jedenfalls nicht insofern “die Griechen”, also hier die mittelplatonisch beeinflussten Apologeten, dies getan hätten. Für jene, denke ich, ist der logos, das Wort Gottes, eher eine Schau des Seins, eine Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung zwischen Denken und Sein. Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Die “zwingende Kraft” ist eher eine jüdische Vorstellung vom Wort Gottes, von einem Gott also, der handelnd in die Welt eingreift (in der Genesis heißt es ja auch Gott schuf, Gott machte, Gott sah etc.) Eine zwingende Kraft bzw. einen ins Weltgeschehen eingreifenden bzw. schaffenden Gott gibt es bei den Griechen aber sonst nur als mythisch-fiktiven Demiurgen. (Könnten Sie vielleicht noch etwas näher erläutern, Herr Wuerg, was Sie damit meinen, wenn Sie von einer Gesamtheit aller ewig gültigen Worte, die in ihrer Schlüssig­keit unsere Welt erzwingen sprechen?)

Ansonsten gefällt es mir auch sehr gut, dass das Wort bei “Gott” ist, vor allem, weil ich persönlich eher mundfaul bin. Aber dafür habe ich schließlich zwei ausgezeichnete Ohren zum hören, und schon im Psalm 62 werden ja die Vorzüge des Stereos gelobt: Eines hat Gott geredet, ein Zweifaches habe ich gehört.

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Selbst ich kann die Grün-Sau mit einer Trumpf-Schellen-Lusche schlagen. Und ein Dreieck mit nach außen gebeulten Seiten hat sogar unendlich viele, damit also auch vier Ecken. Doch genug der Spitzfindigkeiten! Gott hat es nicht nötig, scheinbar Unmögliches zu realisieren, indem er nicht ausgesprochene Randbedingungen mißachtet. Seine Weisheit besteht darin, nur das zu machen, was auch möglich ist. Und seine Allmacht läßt ihn möglich machen, was er tun will. Grundsätzlich aber stimme ich zu: Man kann nicht ein ewiges Prinzip für die Ursache allen Seins annehmen und dann meinen, es brechen zu können. Ich kann hinter diesem Prinzip auch keinen Gott sehen, der es schuf oder in Gemeinschaft mit ihm, einem Logos oder Demiurgen die Schöpfung ausdiskutierte. Wenn es dieses Prinzip gibt, dann ist es Gott. Das steht zwar auch im ersten Satz des Johannes-Evangeliums, gilt dort aber nur für eine Szene des himmlischen Theaters.

Wenn ich von der Gesamtheit aller ewig gültigen Worte spreche, dann meine ich das nicht in der Naivität des täglichen Leben und unserer Umgangssprache. Die legt nahe, daß eine beliebige Zusammenfassung von Objekten automatisch Existenz zukommt und von dieser Gesamtheit als einem weiteren Objekt die Rede sein darf. Das funktioniert im endlichen Leben gut, auch in der Mengenlehre der dritten Klasse, nicht aber überall. Deshalb ist für mich die Gesamtheit aller ewig gültigen Worte zunächst eine sprachliche Wendung, nicht unbedingt ein existierendes Objekt oder gar eine Person. Im Rahmen einer präzisierten Sprache würde ich deshalb nicht von der "Gesamtheit aller ewig gültigen Worte", sondern von "allen ewig gültigen Worten" oder unter Vermeidung von schwierigen Wörtern einfach von "gültigen Worten" sprechen.

Unter Wort verstehe ich dabei keine Aneinanderreihung von Wörtern. Eher ist es ein Satz aus einem mathematischen Lehrbuch, eine Aussage, die bedingungsfrei gilt, obgleich viele von der Form "wenn A dann B" sein werden und eine Bedingung in sich selbst tragen. Wenn man jedoch bedenkt, welche Geheimnisse allein in den natürlichen Zahlen 1,2,3,… verborgen sind, die hoffentlich unabhängig von der Welt existieren, dann sind unter den ewig gültigen Worten sicher auch sehr tiefliegende und sogar solche, die für uns an endlich viele Beweisschritte gebundene Menschen nachweislich unentscheidbar sind.

Ein gültiges Wort ist eines, das gilt, zutrifft, wahr ist, eine Aussage W, die man ohne Zusatz ins Buch der Wahrheit schreiben kann, die man als "W" notieren kann und nicht als "W ist wahr" schreiben muß. Im Gegensatz zu den falschen Worten F, den sinnleeren Sätzen L, den von einer Person P geglaubten Weisheiten W oder den grundsätzlich möglichen Abstrusitäten A, die allesamt nur als "F ist falsch", "L macht keinen Sinn", "P glaubt feste an W" oder "A ist möglich" im Bereich der Wahrheiten existieren.

Ein derart gültiges Wort gilt natürlich ewig, also zeitlos. Diesen Zusatz habe ich nur erläuternd hinzugefügt, weil wir Menschen im Fluß der Zeit gefangen sind und uns alles als Entwicklung vorstellen. Viele meinen tatsächlich, Wahrheit wechsele im Laufe der Zeit oder gar von Person zu Person. Ich kann keinen dazu zwingen, für derart beliebige "Wahrheiten" bescheidenere Begriffe zu verwenden. Er sollte nur nicht seine Argumentation darauf bauen, daß er dauernd das eine mit dem anderen verwechselt. Was (A) gestern (G) zutraf und heute (H) schon ganz falsch ist, findet sich in einer ewigen Weisheit wie folgt wieder: "Für t aus G gilt A(t) und für t aus H gilt A(t) nicht." Natürlich muß die Aussage A dafür eine Zeitabhängigkeit aufweisen, auch wenn sie nicht explizit genannt wird. Ein Beispiel: "Es ist Freitag."

Und zur Fünffaltigkeit: Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist sind schon vier. Es gibt auch Abbildungen der Dreifaltigkeit mit einem Punkt in der Mitte des Dreieckes, allein schon aus Gleichgewichtsgründen. Was wäre sonst mit der Gleichwertigkeit aller Ecken? Ist Gott dann die obere, zumindest in der Darstellung? Und ist zur Rechten Gottes dann links?

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Ich habe fast den Eindruck, als ob das das vorzeitige "Ende unseres Lateins" hier ist.
Vielleicht weil wir schon fühlen, dass wir hier kaum weiterkommen werden?
Müssten wir uns jetzt nicht die Frage stellen, was eigentlich ein Wort ist? Und ist dies nicht eine Frage, die einen in den Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung führen muss?


Im Sinne einer gepflegten Diskussionskultur wollte ich diese offen gebliebene Frage noch mal in den Raum werfen.
Ist, denke ich, generell ne gute Idee, am Ende einer Diskussion das, was offen geblieben ist, zusammenfassen. Wer ganz eifrig ist, kann ja auch die entscheidensten Thesen aller Teilnehmer nochmal wiederholen. Nur mal so als Vorschlag. Zur Zeit kann ich dem leider selbst nicht genügen, doch scheint mir das sehr konstruktiv. :-)

Hier wird übrigens auch fleißig diskutiert. (englisch)

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Ja, seit zwei Tagen sehe auch ich das Ende des Lateins. Andere haben sich vor uns ermattet oder gar enttäuscht abgewendet.

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Jedenfalls recht herzlichen Dank für Ihre ausführliche Erklärung, Herr Wuerg (wobei, ich hätte vielleicht deutlicher fragen sollen, mich der zweite Teil besonders interessierte, also, was Sie damit meinen, dass die "gültigen Worte" mit ihrer Schlüssigkeit die Welt erzwingen. Mir ist auch der Zusammenhang, in den Sie diese "gültigen Worte" mit den Begriffen "Gott" und "Prinzip" setzen, noch nicht ganz klar.)

Edit: zweimal "gütig" statt "gültig" geschrieben.

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Wenn ich wüßte, wie aus Prinzipien Materie, Leben und letztlich Ichbe­wußtsein entsteht, würde ich es Ihnen gerne auf­schrei­ben. Ich glaube aber fest, daß die natür­lichen Zahlen existieren, unabhängig von einer physi­kalischen Welt und von einem der zählt. Und es wird neben diesen Zahlen noch weitere an sich vorhandene Objekte geben, die möglicher­weise eine real erschei­nende Welt erzwingen. Und sollte das so sein, weiß ich immer noch nicht, wie es geht, warum die Welt gerade so und nicht anders ist, warum ich sie bewußt wahrnehme und dies nicht auto­matisch schreibe.

Ich glaube an einfache Antworten, nur werde ich sie zu Leb­zeiten nicht finden. Die der zahl­reichen Reli­gionen sind mir zu ober­flächlich und komplex zugleich. Sie erklären mir nicht viel und verschieben die grund­legenden Fragen einfach nach hinten. Wer die vorder­gründigen und oftmals abstrusen Antworten hinterfragt, wird als Zweifler aus der Gemein­schaft gestoßen.

Ich bin aber zuversichtlich, irgendwann doch hinter alles zu kommen: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich's stück­weise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin." (1K13,12)

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Vielen Dank für diese schöne Bibelstelle!
Der Punkt mit dem Erkennen spricht mir aus dem Herzen.

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Ich weiß jetzt, wie man die eine wahre Lehre findet!
Man muß danach fragen!!! Man muss sich öffnen! Man muss auf Gott zugehen. Ihn bitten. Klopfet an und es wird Euch aufgetan! Nur fragen!!! Sich öffnen!
Komme man von seinem herrschsüchtigen, anmaßenden Ego weg! Empfange man die eine, die wahre Lehre! In Ehrfurcht und Demut! Oh, stelle man sich doch nur ein Mal zurück und nehme man, was Gott einem gibt!: Wort und Wahrheit der heiligen Schrift, ewiges Leben - und seinen Sohn!!! Seinen einzigen(!!!!!!!!!) Sohn. Die Erlösung ist nah. Ihr müßt nur glauben!! So freuet Euch! Freuet Euch! Freuet Euch!

Das eigentlich Unglaubliche ist:
Hätte ich mich hier bisher als einen "streng gläubigen Kirchen-Christen" verkauft, würde wahrscheinlich keiner auf die Idee kommen, dass dies (auch) eine Parodie ist.
Um ganz sicher zu gehen, will ich es daher explizit erwähnen: Dies ist (auch) eine Parodie. Aus meiner Sicht aber greife ich damit natürlich nur das falsche Christentum an, und nicht das wahre.
Ich möchte ein paar Thesen über die dargestellte Art des Glaubens loswerden:

These 1: Glaube dieser Art beruht zu großem Teil auf einem bloßen Ja-Sagen. Glaube dieser Art ist Ja-Sagen ohne zu prüfen.
These 2: Ein freudiges Bejahen macht generell mehr "Spaß" als ein Verneinen. Es ist eine elementare, einigende "Bewegung" der Psyche, die vom Gegenstand des Bejahens unabhängig ist.
These 3: Dieser Prozess hat große Ähnlichkeit mit der subjektiven Wirkung einer Erkenntnis. Jede Erkenntnis ist wie eine kleine Explosion, in der der neue Gedanke stürmisch bejaht wird.
These 4: Der Prozess hat (somit) auch große Ähnlichkeit mit einem "Ankommen", was ebenfalls Freude vermittelt: Die Suche ist vorbei! Man hat nun etwas in der Hand.

Das Ja-Sagen des Glaubenden täuscht technisch betrachtet also die Symptome eines letzten Erkennens und eines letzten Ankommens vor.
So bestätigt der "Glaube" sich auf subjektive Weise selbst, indem er sich elementarer, psychischer Kräfte bedient. So ist es völlig klar, dass ein "Verstehen" erst möglich ist, wenn man voll in die Bejahung springt. Allerdings kann man dieses Gefühl zu "verstehen" bezüglich jeder Lehre haben.

These 5: All das ist nicht unbedingt nur ein Irrweg. Es ist umso weniger ein Irrweg als dass man sich der Relativität seines Glaubens bewußt ist. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass es beim Glauben zuallererst darum gehe, dass er der "richtige" Glaube ist. Es geht um die Nutzung der elementaren Kraft der Bejahung in einem. So verstanden kann Glaube ganz und gar Ausdruck einer innersten Freiheit sein.

These 6: Der "selbsthaltende Mechanismus des Glaubens" - also der Glaube an Glaube, der ja in anderen Formen wie z.B. Schulen des "Positiven Denkens" auch weit in der Gesellschaft verbreitet ist - verwirrt viele Menschen. Sie werden von dieser rekursiven Struktur überrumpelt. Zusätzlich gibt es in den Religionen ein verwirrendes Nebeneinander von bloßem Glauben an Glaube und ganz konkreten Glaubensinhalten, wodurch Glaube weder eine reine Bejahungsübung, noch eine nüchterne Angelegenheit von "richtig oder falsch" ist. Obendrein wird eine Glaubensübereinstimmung mit massiver Euphorie (Zuckerbrot) belohnt und ein Verfehlen des Glaubens mit massiver Schwarzmalerei (Peitsche) bestraft.
All das führt oft dazu, dass man noch nichtmal auf Idee kommt, den Glaubensglaube zu überprüfen und ggf. zu verstehen zu versuchen: Warum sollte Glaube so wichtig sein? (Oder warum sollte der liebe Gott so ein Gefallen daran haben?)

These 7: Was oben keine Parodie ist und durchaus seinen Wert hat: Die Idee des Sich-Öffnens. Allerdings ist dies allein noch nicht der Stein des Weisen.



Weitere Reflektionen zum Thema "Glaube" findet man bei:

1. Paul Tillich, protestantischer Theologe
Wesen und Wandel des Glaubens. Weltperspektiven. Band 8. Verlag Ullstein GmbH. Aus dem Vorwort:

Es gibt kaum ein Wort in der religiösen Sprache - weder in der theologischen noch in der poplären -, das mehr Mißverständnissen, Verzerrungen und fragwürdigen Definitionen ausgesetzt ist als das Wort "Glaube". Es gehört zu jenen Ausdrücken, die selber "geheilt" werden müssen, ehe man sie zum Heil des Menschen verwenden kann. Heute hat das Wort "Glaube" mehr Krankheit als Gesundheit zur Folge. Das Wort verwirrt, führt zu Mißverständnissen und erzeugt abwechselnd Skepsis und Fanatismus, intellektuellen Widerstand und emotionale Hingabe, Ablehnung echter Religion und Annahme von Surrogaten. Manchmal möchte man geradezu raten, das Wort "Glaube" gänzlich zu beseitigen. Das wäre vielleicht wünschenswert, ist aber kaum durchführbar; denn das Wort wird von einer mächtigen Tradition geschützt. Und außerdem haben wir keinen Ersatz, der die Wirklichkeit ausdrücken kann, auf die das Wort "Glaube" hinweist. So gibt es im gegenwärtigen Zeitpunkt nur eine Möglichkeit: wir müssen versuchen, das Wort "Glaube" neu zu interpretieren und die irreführenden und sinnentstellenden Nebenbedeutungen, die zum Teil jahrhundertealtes Erbe sind, auszuschalten.


2. Seth / Jane Roberts. Die Natur der persönlichen Realität.
(auch dieses Werk kann einen überrumpeln!)

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Wenn ich jetzt noch einmal das Wort ergreife, besteht die Gefahr, wieder das letzte gehabt zu haben, was manchen schon reicht, einen Vorwurf daraus zu drehen. Dabei kann sich jeder vernünf­tige Mensch denken, daß man keinen halben Roman schreibt, um das letzte Wort zu behalten. Und so denke ich mir, daß Sie die Diskussion hier nicht umfäng­lich weiter­führen, weil Sie keine Ant­worten mehr wollen.

Wenn Sie meinen, viele fromme Autoren und vor allem solche, die von Auto­maten ins Deutsche übersetzt wurden, schrieben so, als wollen sie sich selbst paro­dieren, so muß ich Ihnen zustim­men. Sie merken gar nicht, wie selbst­bezogen sie argu­men­tieren. Oftmals reicht es ihnen, irgend­einen Spruch abzu­greifen und vorzu­werfen.

Fragen hilft nicht nur bei der Suche nach dem rechten Glauben. Wer fragt, führt! Wer fragt, preßt den anderen Ant­worten ab, und kann dann selbst­gefällig die eine Antwort gelten lassen und die andere verwerfen. Suchet, so werdet ihr finden! Das ist zumindest in der Umkehr richtig: Wer nichts sucht, der findet auch nichts. Manche müssen trotz­dem nicht suchen. Denen ist schon alles zuge­fallen.

Ich stimme Paul Tillich zu, daß Glaube ein schwie­riges Wort ist. Doch Liebe ist nicht einfacher. Und das Christen­tum wimmelt nur so von mehr­deutigen Wörtern. Ich habe manche Sonntags­predigt gehört, die mit einer vorhan­denen oder durch eine anders­artige Betonung erzeugten Doppel­deutigkeit Effekte haschen wollte. Wer nicht in die Kirche geht, der sehe sich das Wort zum Sonntag an.

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Ich finde das witzig. Komplexe Fragen in scheinbar rationaler Weise auf einen absurden Punkt hin zu verdichten würde ich geradezu als Aufgabe eines Komikers bezeichnen.

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Auf Seite 40!

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Der Punkt mit der Widersprüchlichkeit ist auch meiner. Massive Willkür, massive Widersprüchlichkeit und massive Unklarheit sind für mich wesentliche Charakterzüge der von Menschen gelebten Religionen.
Mit Willkür allein hätte ich noch kein Problem. Das, so könnte man sagen, ist eben die Art, wie sich das Wissen über das Jenseits für den noch nicht Wissenden und noch Glaubenden darstellt. Doch wo die Willkür sich gegen die Realität stellt, oder wo eine Aussage sich gegen sich selbst stellt, da liegt einfach ein Fehler vor, denn die Wirklichkeit ist konsistent. (Genau genommen ist auch diese Annahme zum Teil Willkür?)
"Gläubige" (und sogenannte Nichtgläubige natürlich auch) tragen meiner Meinung nach in der Tat viele Elemente in sich, die ich mit dem Term "ein Dreieck mit vier Ecken" zu bezeichnen pflege. Leider kann man sich mit "Logik" so wunderbar gegenseitig gegen die Wand reden und sich endlos mit irgendwelchen Tricks aus der Affäre ziehen, dass man die Widersprüchlichkeit nicht beweisen kann. Und am Ende hat man immernoch die Möglichkeit, sich in falscher Bescheidenheit zu üben, und zu sagen "Das verstehe ich eben noch nicht" oder "Gottes Wege sind unergründlich."
So will ich es erst gar nicht versuchen, hier irgend etwas zu "beweisen". Doch will ich ein anderes Beispiel geben: Dass Gott uns lieb haben soll und es gleichzeitig eine Hölle geben soll, in die man auf EWIG verbannt werden kann - das ist für mich eben ein Dreieck mit vier Ecken, eine "unmögliche Idee", eine Ausssage, die sich selbst widerspricht. Entweder man zeichnet ein Dreieck oder ein Viereck in seinen Verstand, entweder einen liebenden Gott oder eine ewige Hölle. (Schummeln gilt nicht!)

Ich plädiere hier nicht dafür, Religion zu einer reinen Formalwissenschaft verkommen zu lassen. Ich behaupte, dass es zwischen Religion und Logik gar keine Reibung geben muss. Auch das Herz kann denken. Ja, es ist vor allem das Herz, das die Widersprüche fühlt. Luthers Aufstand gegen die damaligen Dogmen muss ein Aufstand seines Herzens gewesen sein. Sein Herz war wohl fast am Ersticken unter all den kranken, willkürlichen und unlogischen Glaubenssätzen. Vor allem war seine Tat, auch dem "Selbstmörder" die letzte Ehre zu erweisen und ihm in seinem Glauben auch die Möglichkeit eines Platzes im Himmel zuzuerkennen, eine Tat des Herzens. (Ich vertrau jetzt einfach mal auf die Info, auch wenn sie nur aus dem Film "Luther" stammt.) Er hat an dieser Stelle das in sich besiegt, wofür Jesus seine Jünger am meisten gescholten hat: Kleingläubigkeit.
Doch was viele Religionsanhänger unter "Glauben" verstehen, ist meiner Meinung nach oft nichts anderes als die Manifestierung ihrer Kleingläubigkeit. Wahrscheinlich verstricken sie sich sogar unbewußt mit Absicht in Widersprüche, um sich vorzumachen, ihr "Glaube" sei irgendwie eine Leistung. Wer aber nicht einsehen will, dass z.B. der Glaube, dass ein Ungetaufter keine Möglichkeit hat, in den Himmel zu kommen, kleingläubig ist, wer die göttliche Größe so vollkommen verkennt, der wird ganz gewiß niemals auf Wasser laufen...

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Für Sie sind Religionen von Willkür, Wider­sprüch­lichkeit und Unklarheit geprägt. Aber versuchen sie nicht auch, eben diese Eigen­heiten der Welt den Menschen zu erklären und ihnen das Leben zu erleichtern?

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Was das Erleichtern betrifft: Theoretisch ja. Praktisch sehr häufig nicht. Tragischerweise trägt Religion manchmal sogar zum Gegenteil bei. Nicht wenige werden depressiv unter dem Einluß grausamer Gedanken, die sie schicksalhaft übernommen haben.

Und das Erklären ist vom heutigen Stand aus beurteilt ja nun wirklich nicht die Domäne der Religionen, sondern eher der Wissenschaft. Aber wie ich schon sagte: Eigentlich könnte dies eins sein, bzw. ohne Konflikt zueinander. Wo das Wissen aufhört, kann man glauben. Diese Harmonie ist eigentlich ganz einfach. Man muss nur ein bißchen bescheiden sein in der Bewertung seines "Wissens".
Lese man "Willkür" auch nicht mit negativem Beigeschmack. Dass die Wirklichkeit so ist, wie sie ist, ja, dass sie überhaupt ist, ist ja schon Willkür. Das kann auch keine Wissenschaft wegerklären.
Allerdings sollte man sich keine inkonsistente Willkür auftischen lassen - von wem auch immer. Und wo die Wirklichkeit selbst "inkonsistent" zu sein scheint, da liegt ein Fehler in seinem Wahrnehmen oder seinem Wissen vor.
Dies ist einer meiner Glaubenssätze.

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fullack, Herr würg. Ich glaube, in einem gewissen Sinne hält das menschliche Leben ja selbst ein Paradox bereit, denn insofern sich der Mensch als ein autonomes Wesen mit einer gewissen Eigenständigkeit in Bezug auf Handlungen und Deutungen begreift, so wird diese Autonomie immerhin dadurch gründlich gebrochen, dass der Mensch sich von irgendwoher empfängt und sich selber irgendwohin lassen muß. Mit anderen Worten: er gehört sich selber, wenn man es recht bedenkt, nicht eigentlich; er ist von und zu anderem. (sagt ein Herr Alois Haas). Bedeutung gewinnt dieses "eigentliche Etwas", von dem und zu dem alles kommt, in den Religionen in der Thematisierung von Geburt und Tod als den Schnittstellen zwischen diesen verschiedenen Bereichen, die dem menschlichen Leben nun mal gegeben sind, wodurch sich auch die Durchdringung von Motiven des Todes und des Lebens erklären, die zunächst widersprüchlich klingen, so zum Beispiel, wenn von einem "Sterben in Gott" als das wahre Leben geredet wird.

Vor der breiten Rezeption der aristotelischen Schriften im Mittelalter bereitete es den Leuten wohl auch kaum Schwierigkeiten, die Glaubensgrundsätze der Theologie, also den Offenbarungswahrheiten wie das Dogma der hypostatischen Union, um die es ja weiter unten ging, anzuerkennen, ganz einfach, weil es wohl kein logisches Instrumentarium gab, diese Widersprüchlichkeiten zu erkennen.

Widersprüche innerhalb der christlichen Lehren ergaben/ergeben sich auch vielfach durch das Umtopfen der heilijen Texte, vor allem bei dem Versuch einer Synthese von griechischem und jüdischem Denken. Nimmt man bspw. den Begriff der Zeit, so unterscheidet sich das jüdische Denken (lineare Zeit mit einen Anfang und Ende setzenden Schöpfergott, Heilsgeschichte, Ankunft eines Messias etc.) von der griechischen Auffassung (Zeit als etwas zyklisches und zirkuläres). Und wenn dort ein Satz wörtlich aus dem jüdischen Denken herausgenommen und ins griechische transplantiert wurde, wo ganz andere Voraussetzung gelten, so kann dies problematisch werden, bspw. ist in der griechischen Antike wie in den jüdischen Schriften `das Wort´ etwas Vermittelndes zwischen `Gott´ und `Welt´, jedoch mit dem gewichtigen Unterschied, dass im griechischen Denken eher etwas prinzipienhaftes unter dem logos verstanden wurde, während der jüdische Gott, das Wort, handelnd die Welt erschafft.

Dass das Widersprüchliche ein "der Religion" verwandtes Gebiet ist, läßt sich vielleich auch daran erkennen, dass eine nicht geringe Anzahl Religiöser sich an dem Widersprüchlichen abgearbeitet haben, u.a. auch der von Ihnen, Herr Gedankenmaler, erwähnte Herr Luther (eine Disputation von ihm trägt den Titel "Theologica paradoxa"), wobei ich nicht glaube, dass diese mit heißem Herzen, sondern mit kühlen Verstand geschrieben wurde.

Jetzt habe ich den Faden verloren. Achso. Ich glaube schon, dass es Phänomene bzw. Erfahrungen gibt, die mit den Mitteln der formalisierten und normativen Begrifflichkeit der Wissenschaft nur sehr schwer zu packen sind, ja, dass gewisse Erfahrungen (man mag sie jetzt religiös oder spirituell oder wie auch immer nennen) sogar in krassem Gegensatz dazu stehen (was dann hoffentlich lustig ist) und dass "die Religionen" hierfür ein Erklärungsmodell bereitstellen. Allerdings sollte es dem reflektierenden Denken zukommen, diese Phänomene versuchsweise auf einen Begriff zu bringen.

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Da hier üblicher­weise zahlreiche Aspekte neben­einander gestellt werden, um es einmal positiv auszu­drücken, ist es natürlich leicht, den Faden zu verlieren. Ihn wieder aufzu­nehmen und zu Herrn Nuhr zurück­zukehren, überlasse ich Oliver Geissen oder Comedy Central. Deshalb mache ich einfach an den Mikrofasern weiter:

Natürlich sind Gläubige auch gerne über andere hergefallen und fanden in deren Heiden­tum einen guten Grund, sie ins Jenseits zu erlösen. Und gewiß sind manche Religionen auch im Kern gewalt­tätiger als andere. Im allgemeinen aber neigt der gemäßigt fromme Mensch stärker zur Harmonie als der mittlere. Auch nehme ich an, der wahre Gott sei versöhnlich gestimmt, weshalb der wahre Glaube nicht unter den gemeinen Menschen zu suchen ist.

Natürlich erklärt heutzu­tage die Wissen­schaft die Welt besser als die Religion, die sich damit wieder auf den ewig verblei­benden und deshalb sehr interes­santen Rest beschränken kann. Es bleibt wahr, was mir ein Professor zur Erlangung eines gebühren­freien Zweitstudiums bescheinigt hat: Das Studium der Theologie ist eine sinnvolle Fortsetzung der Mathematik. Leider habe ich es dann nicht weit gebracht.

Willkür mag ich nicht, vor allem nicht Beliebig­keit. Und so nehme ich an, daß die Grundlagen der Welt keine willkür­lichen sind. Wissen­schaft, Religion und Sophistik sind und waren Ansätze, das System hinter der undurch­dringlichen Kom­plexität der Welt zu ergründen. Das wird nicht durch einen einfachen Sophismus ausgehebelt, es gäbe Willkür, weil die Existenz der Wirk­lichkeit selbst eine sei. Zwar wird niemals schlüssig bewiesen werden, daß es etwas geben muß und nicht nichts, doch erwarte ich eine Erklärung im ewigen Leben.

F^F, solange wir nicht in spezielle Ausprä­gungen abgleiten. Auch ich sehe in den Menschen autonome Gebilde, messe ihnen aber deshalb nicht auto­matisch Handlungs­freiheit oder gar Verant­wortung zu. In hundert Jahren werden in jedem Haushalt autonome, dienstbereite, friedliche und hoch­intelligente Maschinen stehen. Sie können mit uns philoso­phieren und dennoch so einfältig bleiben, daß wir ihnen kein Bewußt­sein zumessen müssen und sie es von uns auch gar nicht verlangen.

Deshalb ist der Punkt für mich nicht die Auto­nomie, sondern das Bewußt­sein. Ich halte es nicht allein für einen Ausfluß komplexer Hirn­struktur. Ich nehme an, es ist allen oder manchen Menschen verliehen, den Tieren und Steinen zumeinst aber nicht. Ohne dieses Bewußt­sein ist Religion nur eine Über­einkunft großer Gruppen zur Erlangung eines evolutio­nären Vorteiles, also ohne jedes wirkliche Mysterium, wie es das Bewußt­sein trotz allen wissen­schaftlichen Fort­schrittes bleiben wird.

Ich glaube nicht, daß die Menschen des Mittelalters deutlich blöder waren als wir. Und die Gebildeten hatten sicherlich ein "logisches Instrumen­tarium", das einen Vergleich mit dem moderner Menschen nicht scheuen muß. Auf die Idee, Jesus und den Heiligen Geist zu streichen, um den Mono­theismus zu retten, sind sie sicherlich gekommen. Doch für derartig triviale und dazu noch gefährliche Lösungen hatten sie nicht jahrelang Aristoteles studiert.

Die Fähigkeit einer Religion zur "Umtopfung" ohne Gefähr­dung der Grundidee läßt sie Jahr­tausende auch in Zeiten der Verfolgung und Zerstreu­ung überleben. Wäre Paulus den Griechen nicht ein Grieche gewesen, wären möglicher­weise wir die dritte Welt und hätten nicht die Muße, über den wahren Charakter von Zeit und Ewigkeit nachzudenken. Auf der anderen Seite könnten wir ohne die Griechen und den mittel­alterlichen Stillstand schon die Version 2.1 des Internet haben.

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Oh, da habe ich wirklich Unsinn geschrieben. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Menschen des Mittelalters grundsätzlich blöder waren als wir heute, ganz abgesehen davon, dass einige Mönche ein schwindelerregendes Reflexionsniveau besaßen. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass dort, wo christlich-platonisches Denken auf aristotelische Logik stieß, es ziemlich in den theologischen Systemgebälken knirschte. (Auch Ihren Ausführungen bezüglich des Bewusstseins als ein Mysterium möchte ich gern zustimmen, ich schrob ja auch nicht ohne Grund insofern sich der Mensch als autonomes Wesen betrachtet.)

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Ich vergaß zu erwähnen:

Die Psalmen, Kapitel 1

Das erste Buch

Die beiden Wege
1 Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, / nicht auf dem Weg der Sünder geht, / nicht im Kreis der Spötter sitzt, /
2 sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, / über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht.
3 Er ist wie ein Baum, / der an Wasserbächen gepflanzt ist, / der zur rechten Zeit seine Frucht bringt / und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, / wird ihm gut gelingen.
4 Nicht so die Frevler: / Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht.
5 Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen / noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
6 Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, / der Weg der Frevler aber führt in den Abgrund.

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Daran denke ich immer, wenn auch mit Luther geschmeidiger: Wol dem der nicht wandelt im Rat der Gotlosen / Noch tritt auff den Weg der Sünder / Noch sitzt da die Spötter sitzen.

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Über die Weisungen des Herrn bei Tag und Nacht nachzusinnen (Punkt 2) tue ich sehr gerne. Dieses Nachsinnen aber um jeden Preis und von Anfang an unter der Prämisse zu praktizieren, dass diese von Menschenhand überlieferten Worte "absolut" seien, degradiert das Nachsinnen zu einem halben Nachsinnen. Sich dem lieben Gott mit Haut und Haaren anzuvertrauen möchte ich unterstützen. An unserem Verstand hat er aber vielleicht gar nicht so viel Interesse, wie allgemein geglaubt wird. Aus diesem Grund verweise ich immer wieder gerne auf den Moment, als Petrus aufs Wasser stieg. Hier scheint mir ein Schlüssel zu liegen in Bezug auf die Frage, was "Glaube" eigentlich ist.

Übrigens hat dieses "Dampf-Ablassen" in einigen Kommentaren hier für mich persönlich sogar dazu geführt, dass ich noch mehr "Christ" bin, was für mich fast beängstigend ist. Ich muss mich anscheinend erst einmal gegen alle offensichtlichen Zumutungen im Bereich der Logik gründlich gewehrt haben, bevor mir ein intensiveres Bekennen möglich ist. Bevor ich im allgemeinen Strom mitschwimme und die vorzüglichen neuen Kleider des Kaisers lobe, muss ich erstmal das Kind sein, das ganz "frevelhaft" die Tatsache benennt, dass er doch eigentlich gar nichts an hat.

Zu guter Letzt, denke ich, müssen sich der Gläubige als auch das "frevelhafte Kind" in einem noch nichtmal gegenseitig stören. Man kann sich voll in den Glauben werfen, dass des Kaisers neuen Kleider großartig sind und es gleichzeitig nicht glauben. Kinder sind in diesem Sinne ja auch großartige Glaubensakteure, was man jederzeit beobachten kann, wenn man ihnen beim Spielen zusieht. Und Jesus führt sie in dieser Sache sogar als Vorbild an, nicht wahr?
Lasse sich niemand sein Spiel verderben, aber zwinge man andere auch nicht, mitzuspielen. Lasse man wenigstens die Peitsche weg, wenn man auch nicht davon ablassen kann, mit Zuckerbrot zu locken. Die durch und durch menschliche Euphorie eines Gläubigen reizt mich nur aus dem einen Grund zum "Lästern", weil der Gläubige im Hintergrund auch mit seiner Peitsche wedelt und nur auf diese richten sich meine "Angriffe".

Auch die obigen Psalme enthalten wieder die Peitsche. Solch polarisierte Ausdrucksweise mag manchen Kraft geben, doch ist sie auch potentiell gefährlich für Menschen, die an "Ich-Schwäche" leiden.
Für jene ist es empfehlenswert, sich auch mal den Peitschen all der anderen Glaubensrichtungen auszusetzen. Dann wird offenbar, wie absurd das alles ist.

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Auch ich bin nicht durch fromme Sprüche oder gar eine Erschei­nung Christ geworden, sondern durch das Buch "Warum ich kein Christ bin" von Bertrand Russell. Gewiß steht er nicht im Ver­dacht unlogisch zu denken. Trotzdem wird er mir zustimmen, daß es auch keine zwingende Argumen­tation für die Nicht­erkenn­barkeit oder gar Nichtexistenz Gottes gibt. Mir geht es wohl ähnlich wie Ihnen: Je mehr einer gegen den Glauben polemisiert, desto stärker werde ich ihn vertei­digen. Wer dagegen aus der Bibel nur Bruch­stücke abschreibt und hinwirft, der läßt mich zumindest an seinen Verfech­tern zweifeln. Doch es wäre auch unge­recht, solche nur als spie­lende Klein­kinder mit reichlich Phan­tasie abzutun.

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Mein Vergleich mit den spielenden Kleinkindern bezieht sich nur auf einen Teilbereich des Glaubens. Ich hätte das vielleicht dazu sagen sollen, um hier nicht noch stärker in die Rolle des Lästerers zu geraten. Das "Glauben" Petrus', der aufs Wasser steigt, fällt meiner Meinung nach z.B. nicht darunter. In Fällen aber, wo man sich entscheidet, eine Sache auf eine ganz bestimmte Weise zu sehen, obwohl diese Sichtweise sehr aus der Luft gegriffen ist, hat Glaube gewisse Ähnlichkeit mit einem Spiel. Damit will ich aber nicht sagen, dass dies Schwachsinn ist. Ich beziehe mich hier erstmal nur auf die psychologische Ebene und mache damit auch keine Aussage über den Wahrheitsgehalt dieses Spiels. Was von unseren Glauben wahr oder falsch ist, wird so oder so "außerhalb" unserer Psyche entschieden; in unserem Inneren ist alles nur Glaube.

In dem hier schon einmal erwähnten Kurs in Wundern gibt es eine Suggestionsübung - die einzige, die ich kenne - die sinngemäß lautet: "Nichts, was wir denken, bedeutet irgend etwas." Ich halte dies für eine sehr heilsame Sichtweise. Diese Suggestion ist wie Medizin gegen all die Glaubenspanik in der Welt. Sie ist das notwendige Kontra zu einem falsch verstandenen Glaubensglaube. Ob wir nun Christen nehmen, die glauben, dass der Glaube an den Namen Jesus Christus erlöst, oder Buddhisten, die den Satz "Wir erschaffen uns die Welt mir unserem Denken" glauben, oder irgendwelche Esoteriker - häufig führt der Glaubensglaube zu einer unfruchtbaren und in sich gehemmten Einbildung, die mit einer völlig unangemessenen Überbewertung der eigenen Bewußtseinsinhalte einhergeht. Insofern ist meine Gedanke, Glaube "nur" als Spiel zu betrachten, sogar eher als Verbesserungsvorschlag zu verstehen. Ich finde, man sollte sich so oder so die Freiheit vorbehalten, allen Glauben in sich immer mit "1% Zweifel" auf der intellektuellen Ebene zu versehen. Woher kann man schon wissen, was wirklich wahr ist? Ich glaube nicht, dass es beim "Glauben" darum geht, sich absolut sicher zu sein, auch nicht darum, seinen Glauben vorsätzlich mit Wissen zu verwechseln. Natürlich geht es ein bißchen auch in diese Richtung, aber man muss sich nicht mit Gewalt einen 100%igen "Glauben" abzwingen.
In jedem Fall sollte man mal über den Glaubensglaube nachdenken. Die Menschen glauben ja schon stärker an Glaube (bzw. ihr Glaubensspiel) als an Gott.

Mein Vergleich mit Kaisers neue Kleider ist natürlich überzogen. Doch läßt sich auch hier ein Beispiel finden: Katholiken glauben meines Wissens nach, dass die Oblate beim Abendmal "wirklich wirklich wirklich" das Fleisch Jesu sei. Sie fassen das Ritual nicht als etwas auf, das man nur in Gedenken an Jesus praktiziert, sondern als eine reale Verköstigung seines Leibes.
Diese Leute spielen eben sehr intensiv, möchte ich sagen. Doch will ich mich auch darüber nicht erheben. Ich bin nur der Meinung, dass der liebe Gott nicht böse ist, wenn man in seinem Bewußtsein gleichzeitig anerkennt, dass eine chemische Analyse dieser Oblate wahrscheinlich nicht ein einziges Protein feststellen würde.

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Spiel: Frömmler sollten froh sein, wenn man ihr Denken und Handeln mit dem Spiel von Kindern vergleicht und nicht mit dem falschen Erwach­sener, obgleich Kinder durchaus in der Lage sind, ihre Phan­tasie als solche zu erkennen. Ein rich­tiges Spiel wie Skat hat Regeln, deren Sinnhaf­tigkeit man durchaus hinter­fragen darf, die aber dennoch zu beachten sind, möchte man ein Turnier gewinnen. Als Kind habe ich anderen beim Spiel zugesehen und daraus die Grund­regeln abgeleitet. So muß man es auch mit der religi­ösen Sprache machen, denn nur wenige haben ein Regel­werk zur Hand, einige tun es als teuf­lisches Ansinnen von Hinterfrager ab. Der von mir schon mehrfach zitierte Aufsatz "Zuerst Verstehen" von Humphrey Palmer aus dem Buch "Sprach­logik des Glaubens" ist dort im 2. Teil zu finden: "Sprach­spiele und die Grammatik des Glaubens."

Glaubensglaube: Der normale katho­lische oder evan­gelische Heide beteuert auf der Straße vor laufen­der Kamera gerne, wie wichtig es ist, an irgend­etwas zu glauben. Gäste in Talk­shows bekennen sich unverblümt zu allem möglichen Glaubens­kram, gerne aus dem Bereich der Esoterik. Sie suchen und finden regel­mäßig den Schulter­schluß der Anders­gläubigen, die es ganz, ganz wichtig finden, an irgend etwas zu glauben, und nie und nimmer dem anderen seinen Glauben nehmen möchten. Das geht, solange sie lau sind, Yoga allein zur Verren­kung betreiben und Blei nur Silve­ster gießen. Wer seinen Glauben ernst nimmt, wird nicht umhin kommen, die anderen als mangel­haft erleuch­tet zu sehen, auch wenn seine Gemein­schaft nicht missio­niert oder gar die Ver­dammnis für alle anderen vorge­sehen hat.

Katholiken: Bei ihnen geht vieles auch ohne innere Über­zeugung, ganz formal, wie von Zauber­hand. Ihre die Öku­mene sehr erschwe­rende Abend­mahls­auffas­sung lasse ich einmal außen vor. Bezeich­nender ist für mich ihre Beichte. Sie scheinen allen Ernstes zu glauben, (nur) ein Priester könne ihnen die Sünden vergeben, obgleich sie vorhaben, die gleichen wieder zu begehen. Und nichts schlim­meres kann ihnen wider­fahren, als gravie­rende Sünden zu vergessen oder gar an einen falschen Priester geraten zu sein. Dann werden sie für alles, was nicht formal korrekt gebeichtet ist, braten müssen, und zwar sehr lange, wenn die Hinter­bliebenen keine Messen lesen lassen.

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Ach!,
diese Religion könnte so schön sein, wenn sie nicht ständig mit solchen Zumutungen verabreicht werden würde! Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum ich mich dem Christentum umso näher fühle, je mehr ich mich gegen diese Absurditäten auflehne: Übrig bleibt die Schönheit.
Von der offiziellen Lehre aber bleibt bei mir ziemlich wenig übrig. Da ist für mich nur noch Gott, der ein radikales Zeichen der Verbundenheit in die Welt sendet. In das Zeichen mit eingebunden das ein oder andere "esoterische" Wissenselement und auch ein paar Ermahnungen.
Religion könnte so einfach sein...

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Nur mal so gedacht: Ich habe so die Idee, das der Dieter Nuhr mit seinem Nebensatz " ... , völlig überrascht von dessen Schlechtigkeit, ...", seinem Text bloß ein wenig Schärfe oder Würze hinzufügen wollte. Denn, wie ich mich erinnere stand doch irgendwo, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbilde erschaffen hat. Also, hat er doch von den dunklen Seiten des Menschen voher wohl gewußt und kann also gar nicht überrascht gewesen sein.

Das ist jetzt nur mal so eine oberflächliche Idee von mir. Kann da was dran sein, was meint ihr?

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Da ist was dran (siehe mein Kommentar vom 1. März in diesem Thread :-)

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Nuhr hat die Logik auf seiner Seite.
Ob aber seine Bestandsaufnahme stimmt? Das bezweifle ich sehr.

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