Donnerstag, 15. November 2007
Selbst-Verleugnung
Oliver hat eine Website gestartet: Theorie und Praxis des Denkens. Darin sind Seiten aus seinem Notizbuch enthalten und Betrachtungen darüber. Die Seite scheint neu zu sein, da sie ausser einer generellen Betrachtung über das Denken nur zwei Absätze mit speziellen Themen enthält, aus der ich einen Satz nehmen möchte, und ihn hier zur Diskussion vorlege.

Wichtig: Ich tue das hier ohne Olivers Zustimmung eingeholt zu haben. Sollte er damit nicht einverstanden sein, wird dieser Beitrag zusammen mit allen anhängenden Kommentaren ohne weitere Ankündigung offline gehen.

Oliver schreibt:
"Und was Jesus mit "Selbst-Verleugnung" gemeint hat, muss einen ganz speziellen Sinn haben - er hat sich mir noch nicht erschlossen.


Meinungen dazu bitte in den Kommentaren.

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Hallo Oliver. Ich versuche mal einen Schnellschuss aus der Hüfte. Jesus hat sich für ein aggressionsfreies Miteinander eingesetzt. Er verlangte von seinen Anhängern, dass sie einander liebten, dass sie ihre Feinde liebten, dass sie eher eine Hand verlieren sollten, als damit eine Sünde zu begehen. Jesus verlangte sehr viel von seinen Jüngern und verlangt auch viel von denen, die ihm heute nachfolgen wollen.

Oft bedeutet "Jesus folgen" das man sein altes Leben hinter sich läßt und "von neuem geboren" wird. Ein zentraler Aspekt seiner Lehren scheint mir zu sein, dass ein Mensch sich selber zurücknimmt, und dadurch seine Mitmenschen erhöht.

Um es kurz zu sagen: Er fordert auf, sich selbst zu verleugnen.

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Also zunächst mal sehe ich hier nichts,
was Rechte Dritter verletzt, wenn Du hier einen Link setzt und einen Satz zitierst.

Mir scheint, der Begriff ist in zweierlei Kategorien denkbar:

- vom Ego-Trip runter kommen, auch das Wohl der anderen im Auge haben

- eine höhere Ebene der Trieb- und Wunschlosigkeit, wie sie auch etwa buddhistischen Vorstellungen vom Nirwana zugrundeliegt

Ich neige, da sich beide Lesarten nicht grundsätzlich ausschließen, zu der Ansicht, dass mit dem Begriff beides gemeint sein könnte.

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Hallo Mark. Nein, Rechte verletze ich sicher nicht wenn ich öffentlich auf ein öffentlich zugängliches Angebot verweise. Aber vielleicht hat sich Oliver sein Gedankenfenster ganz anders gedacht. Und da will ich ihm nicht querschießen …

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Das schätze ich sehr, lieber Götzeclan!
Ich muss ja zugeben, dass mir doch ziemlich mulmig zumute wird, wenn ich jetzt mit ansehe, dass mein Projekt Wellen schlägt... Puhh! Mein Verantwortungsbewußtsein produziert nicht wenig Sorge... Wird mein "Gedankenangebot" auch wirklich zum Guten beitragen?
Diese ganze exzessive Denkerei von mir hat ja gewiß auch ihre Schattenseite. Einige der Ratschläge, die ich so souverän in meinem Haupttext von mir gebe, müsste ich mir selbst noch mal hinter die Ohren schreiben.
Und immer wieder dieser Gedanke, der alles mit einem Schlag untergräbt: "Was soll eigentlich diese ganz Denkerei? Warum nicht einfach nur voll und ganz, aus ganzem Herzen leben?"
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Hey!
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(Es ist seltsam wie gerade die aller-einfachsten Erkenntnisse manchmal so lange auf sich warten lassen...)
Der Mensch ist nunmal nicht nur herzgesteuert - er ist auch kopfgesteuert - und beides zu gleich.
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doch zurück zum Thema... (siehe nächstes Kommentar, bald...)

Oliver / Gedankenmaler

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"Was soll eigentlich diese ganz Denkerei? Warum nicht einfach nur voll und ganz, aus ganzem Herzen leben?"

Ich denke, also bin ich. Denken gehört zum Sein. Wer aus ganzem Herzen leben will, denkt auch über alles nach. Ich schätze mal, der Rest vegetiert …

Aber sicher bin ich da auch nicht.

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Das Problem, das ich mit diesem Begriff der "Selbst-Verleugnung" habe, ist, dass er von Jesus wohl doch als eines der zentralen Elemente des Weges zu Gott dargestellt wird, er für mich aber gleichzeitig nur sehr beschränkt gilt. Klar leuchtet mir ein, dass ein "Egoismus", bei dem man die eigenen, oberflächlichen Bedürfnisse über die existentiellen Bedürfnisse seiner Mitmenschen stellt, eine Verfehlung ist - doch schon sobald man sich in der Sorge um sich selbst um seine tiefen Bedürfnisse kümmert, kann ich dem Begriff der Selbst-Verleugnung keine Bedeutung mehr verleihen, die für mich Sinn macht. Die wirklich tiefen Bedürfnisse in sich selbst zurückzuweisen ist für mich ein Akt der Selbst-Zerstörung.
Kann so etwas heilig sein? Wohl nicht.

Abgesehen von dieser in meinem Verständnis beschränkten Gültigkeit des Elements "Selbst-Verleugnung" bleibt für mich noch diese Frage offen: Was hat das Ganze eigentlich mit "leugnen" zu tun? Wie wörtlich ist dies überhaupt zu verstehen? Wird es in der gleichen wörtlichen Bedeutung benutzt, in der es benutzt wird, wenn darüber berichtet wird, dass Petrus in seinem menschlichen Versagen seinen "Herrn" drei Mal "verleugnet" hat? So weit ich mich recht erinnere, sagte er ja ganz wörtlich: "Ich kenne diesen Mann nicht!" Sollen wir es in gleicher Weise anwenden, nur eben umgekehrt?: "Ich kenne diesen Mann nicht, der ich selbst bin. Der einzige, den ich kenne, ist Gott!" Oder sogar so: "Ich bin nicht - nur Gott ist!"
Sind diese wörtlichen Auslegungen absurd?

Falls nicht, so finde ich es dann aber wiederrum sehr schwer, sich ein gewisses Maß von "Selbst-Bejahung" vorzubehalten, die ich doch andererseits für so wichtig halte. Hier präsentiert sich Religion von ihrer radikalen Seite, aber das liegt ja, neben anderen Qualitäten, auch in ihrer Natur. In die gleiche Richtung geht das Jesus-Wort "Nur der eine Herr im Himmel ist gut.": Er wird von einem wohlhabenden Mann als "guter Meister" angesprochen, worauf er eben antwortet, "Nenne mich nicht gut! Nur der eine Herr im Himmel ist gut." Auch die kategorische Annahme, dass der Mensch ohne Ausnahme "sündig" sei, passt in diese Denkweise.

Dann aber gibt es auch Jesus-Worte, die eindeutig das-Individuum-bejahend sind. "Freuet Euch!", "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!" (was ja auch heißt, sich selbst lieben zu dürfen / sollen). "Ihr seid das Licht und das Salz der Erde!" "Ihr seid viel mehr als die Vögel!" (um die sich Gott ja auch kümmert; "sie sähen nicht, und ernten doch"), etc. Auch das Ritual der Fuß-Faschungen beinhaltet für mich diese Aussage: Wir sind gut. Ja, wir sind wertvoll und kostbar.

Herrje!, die christliche Lehre ist für mich letztlich ein widersprüchliches Kuddelmuddel aus "Ich-Bejahung" und "Ich-Verneinung"; aber vielleicht treffe ich mit dieser simplen Zusammenfassung ja genau den Nerv, nicht nur des Wegs Jesu, sondern von Religion überhaupt. Vielleicht darf man über all das ja genau so denken, dass es letztlich darum geht, sich auf "richtige" Weise selbst zu "bejahen" und auf "richtige" Weise selbst zu "verneinen". Beurteilen muss man das im Einzelfall aber letztlich selbst - hier beginnt bereits die Ich-Bejahung, die nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig ist. Von Anfang an. Entgegen aller eventuell vorhandenen Angst vor dem "Sündig-Sein" und der Hölle!!!!
So gedacht ist "Selbst-Verleugnung" dann nicht "das" zentralste Element des Weges, den Jesus uns zu zeigen versucht hat - "es sind nur 50 Prozent". Und je weiter man auf dem Weg voranschreitet, desto mehr tritt diese "Selbst-Verleugnung" in den Hintergrund.
Aus irgend einem Grunde aber habe ich gelernt, die christliche Lehre nicht so zu verstehen. Das war bzw. ist mein ganzes Problem mit diesem Begriff gewesen. Ich habe mich immer auf das Negative konzentriert und diesen "selbst-verneinenden" Aspekt als den wichtigeren betrachtet.



(Sollte man vielleicht zur Verifikation heranziehen - habe fast alles aus der Erinnerung zitiert:
http://www.biblegateway.com/)

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Ich versuche mal Fragmente zu beantworten. Sie sollten die nehmen, und in Relation zu Ihren eigenen Gedanken setzen, und nicht als erschöpfende Antwort auf Ihren Beitrag bewerten.

1. Ich habe ein paar mal meine eigenen Bedürfnisse so weit zurück geschraubt um anderen zu dienen, daß ich ohne rot zu werden mich selber "verleugnet" habe, und zwar durchaus in dem Sinne, wie Sie es beschreiben, inklusive der so genannten "Grundbedürfnisse". Das ist nicht leicht, aber das Ergebnis überzeugt alle Beteiligten, inklusive mir. Wer das getan hat, weiß was gemeint ist, wenn jemand sagt, je mehr man gibt desto mehr bekommt man. Interessanterweise bekommen viele "christliche Kuddelmuddel"-Aussagen einen klaren Sinn, wenn man sich auf sie einläßt. Jemand, der diese Selbstverleugnung nicht freiwillig durchführt, wird den wahren Sinn der Aussage nicht verstehen. Erst der, der sein Herz öffnet, wird selbst die Aussage "Wer in Christus lebt, wird nicht sterben, selbst wenn er tot ist" klar und deutlich verstehen. Allen anderen bleibt sie verschlossen. Diese Menschen machen sich dann üblicherweise über etwas lustig, das sie nicht verstehen, weil sie nichts dafür investieren.

2. Jesus weist in dem Satz "Nenne mich nicht gut! Nur der eine Herr im Himmel ist gut." auf seinen Vater hin. Zusammen mit dem Heiligen Geist, bilden sie die Gottheit, sind aber drei einzelne, unabhängig handelnde Personen. Mein erster Glaubensartikel sagt: "Ich glaube an Gott, den ewigen Vater, an seinen Sohn Jesus Christus und an den Heiligen Geist." Die drei sind einzeln in ihrer Person, aber einig im Handeln.

3. Wir sind Kinder Gottes, des "Vaters im Himmel", wie Jesus sagt. Wie jeder guter Vater, liebt Gott Vater seine Kinder ohne Ausnahme. Mit dem Satz "Ihr seid viel mehr als die Vögel!" und den anderen aufgeführten, macht er uns klar, das wir etwas Besonderes sind. Wir vergessen das schnell, bzw. einige von uns behaupten immer mal wieder, wir wären nur eine Sorte Tier, gleich allen anderen Tieren. Die mögen das glauben. Ich nicht. Beweisen können wir unsere Behauptungen beide nicht.

4. Im "Buch Mormon" steht: Adam fiel, damit Menschen sein können, und Menschen sind, damit sie Freude haben können (2. Nephi 2: 25). Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen "Spaß haben" und "Freude haben". Es lohnt sich, darüber nachzudenken.

5. Was ich von dem Schwachsinn halte, dass alle Menschen per se sündig sind, habe ich an anderer Stelle ja schon mal bemerkt.

Der Weg, den Christus uns voran gegangen ist, ist durchweg positiv. Aber wir haben die Wahl, uns für das Gute zu entscheiden, und ewiges Leben zu erlangen, oder für das Böse, und dann das Böse zu ererben.

Ich persönlich halte es für klug, die Worte Gottes und die von Jesus für sich zu nehmen, und Traditionen, Auslegungen und vor allem menschliche Interpretationen (auch meine!) mit höchster Skepsis zu betrachten. Wer dann den Mut hat Nachzudenken, Dinge in Frage zu stellen und sich vom Heiligen Geist, der ja auch ein Teil der Gottheit ist, bestätigen zu lassen, ob etwas Wahrheit ist oder nicht, der wird mit wirklicher Erkenntnis belohnt. Mehr Erkenntnis, als sie in Büchern zu finden ist …

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Offtopic
Werte Administratoren, ich hätte da eine Frage. Und zwar: wäre es möglich, eventuell mal 1 kleinen Gastbeitrag zu verfassen?

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Klar. Senden Sie den Beitrag an thomas ät goetzeclan pünktchen de. Ich freue mich drauf.

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Oh, vielen Dank. Ich habe jetzt noch nichts geschrieben, aber wenn, dann werde ich mich bei Ihnen melden ...

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Schön,
hier wird noch immer über Gott und die Welt geschrieben.

Vorweihnachtliche Grüße an Alle die mich noch kennen.

nicodemus

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Beste Grüße zurück. Habe heute erst wieder gelernt, das Weihnachten gar nichts mit dem Wahnsinn zu tun hat, der um mich herum passiert. Ab sofort nur noch Selbstgebasteltes. Das kommt wenigstens vom Herzen, und nicht vom Geldbeutel …

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Da sagen Sie was.
Leider fällt es mir extrem schwer, Weihnachten von dem allgemeinen Wahnsinn zu trennen. Es ist ja nicht nur der Kommerz, es sind auch Erwartungen in meinem unmittelbaren Umfeld, wie es zu sein hat. Und dass ich das alles nicht haben müsste mit Baum, Christmette, Ente und ichweißnichtwas bewahrt mich vor gar nichts.

Herr Nicodemus, schön, mal wieder ein Lebenszeichen von Ihnen zu erhalten. Ich vermisse Sie nach wie vor in unserer Blogrunde, und dass Herr Götze auch die Segel streichen will, das habe ich immer noch nicht so recht verdaut.

Und weil wir schon mal dabei sind: Herr Wuerg macht sich auch extrem rar in den letzten Wochen. ;-(

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Ich lebe noch, habe aber in den letzten Wochen nur selten Blogs gelesen und gar nichts geschrieben, ohne mich dem allgemeinen Niedergang anschließen zu wollen. Unter Religionsfreiheit möchte ich gerne weiterhin mitdiskutieren, wäre es nicht immer das gleiche. Trotzdem ein frohes Jahr 2008 und bald auch 1429.

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