Montag, 17. Oktober 2005
Yom Kippur
nicodemus, 00:31h
oder Yom ki’pur ist nun, als weiterer hoher jüdischer Feiertag auch vorbei und man hat es geschafft wieder mal in die Synagoge zu gehen und zu zeigen das man doch noch zu Gemeinde gehört. Es gibt Leute die trifft man nur zu ebendiesem Tag und eventuell noch zu Pesach. In den letzten Jahren begegnet man sehr vielen zugewanderten Israelis und natürlich Leuten die aus dem Osten und Nordosten Europas und Russlands gekommen sind. Die östlichen Zuwanderer sind Juden die vorher noch nie in einer Synagoge waren und ihre Kultur des Jüdischen nur aus Erzählungen kennen. Sie sind auch die Einzigen die dem G*ttesdienst ruhig und mit Bedacht folgen und nicht einzuordnen sind in Liberal, Konservativ, Orthodox und Lubitscher waren vielleicht noch Ihre Großeltern. Es ist jedes Mal schön zu sehen wie sie sich der Handlung hingeben. Auch sprechen und verstehen sie kein Jiddisch, aber es sprich sowieso kaum jemand mehr die Sprache der Groß- oder Urgroßeltern. Damit sie dem Geschehen folgen können werden Blätter in russisch ausgelegt, was alle andern die des Hebräischen nicht mächtig sind aufgebracht hat und nun liegen die Blätter in mehreren Spachen aus.
Bis auf die Zeit während der Ansprache des Rabbis und der Gebete herrscht ein stilles und umso regeres Treiben sowohl bei den Männern als auch auf der Empore bei den Frauen. Kinder laufen durch das G*tteshaus. Die neuesten Nachrichten über Arbeit, Familie und Israel werden ausgetauscht, vom letzten Urlaub erzählt. Die Frauen auf der Empore sind schön wie jedes Mal und es verwundert einem, dass die Töchter ins heiratsfähige Alter gekommen, noch schöner geworden sind. Ihre Augen schweifen über die Köpfe der Männer unten im Saal und leise kichern sie miteinander. Nicht anders verhalten sich die jungen Männer unten die immer wieder einen flüchtigen Blick nach oben in die eine oder andere Richtung werfen, lächeln und versuchen eine der Schönen zu erblicken die vielleicht gerade in dem Moment einen flüchtigen Blick auf sie wirft.
Nicht das die Jungen auf diese Begegnung in der Synagoge angewiesen wären, irgendwie kennen sich alle untereinander durch die Familien, Schule oder Job, aber wann ist es schon möglich die gesamte Gemeinde oder besser den harten Kern der Gemeinschaft auf einem Platz zusehen. Nach dem G*ttesdienst trifft man sich noch in der Laube und auf der Strasse die bewacht von Polizisten so was wie eine unangenehme Sicherheit bildet. Es wird trotz der Ernsthaftigkeit des Feiertags gelacht und überschwänglich erzählt. Vielleicht wird aus diesen jetzigen Begegnungen der paarungsbereiten Jungen ein Paar. Nicht jeder Junggeselle findet ein jüdisches Mädchen und wie sagte eine Freundin „es wird Zeit sich in anderen Gemeinden umzusehen um nicht weiter den genetischen Inzest zu begehen“. Bei Liberal eingestellten Kulturbrüdern und Schwestern ist es kein Problem sich auch mal bei den „Konvertierten“ umzusehen, die Regel ist es jedoch nicht. Nun, wenn auf diesem Weg nichts zu finden ist bleiben noch immer die jüdischen Singlesites im Web, selbst wenn der oder die Willige entfernt in Kanada, Mexiko oder New York leben.
Es tut einfach gut zu fühlen, dass es ein jüdisches Fest ist, die Gelassenheit und Heiterkeit ist in den anderen Religionen und religiösen Feiern denen ich beiwohnen durfte nicht zu spüren. Ich habe noch nie ein trauriges Gesicht gesehen, aber vielleicht auch nur weil ich froh bin wieder irgendwie zuhause zu sein.
Bis auf die Zeit während der Ansprache des Rabbis und der Gebete herrscht ein stilles und umso regeres Treiben sowohl bei den Männern als auch auf der Empore bei den Frauen. Kinder laufen durch das G*tteshaus. Die neuesten Nachrichten über Arbeit, Familie und Israel werden ausgetauscht, vom letzten Urlaub erzählt. Die Frauen auf der Empore sind schön wie jedes Mal und es verwundert einem, dass die Töchter ins heiratsfähige Alter gekommen, noch schöner geworden sind. Ihre Augen schweifen über die Köpfe der Männer unten im Saal und leise kichern sie miteinander. Nicht anders verhalten sich die jungen Männer unten die immer wieder einen flüchtigen Blick nach oben in die eine oder andere Richtung werfen, lächeln und versuchen eine der Schönen zu erblicken die vielleicht gerade in dem Moment einen flüchtigen Blick auf sie wirft.
Nicht das die Jungen auf diese Begegnung in der Synagoge angewiesen wären, irgendwie kennen sich alle untereinander durch die Familien, Schule oder Job, aber wann ist es schon möglich die gesamte Gemeinde oder besser den harten Kern der Gemeinschaft auf einem Platz zusehen. Nach dem G*ttesdienst trifft man sich noch in der Laube und auf der Strasse die bewacht von Polizisten so was wie eine unangenehme Sicherheit bildet. Es wird trotz der Ernsthaftigkeit des Feiertags gelacht und überschwänglich erzählt. Vielleicht wird aus diesen jetzigen Begegnungen der paarungsbereiten Jungen ein Paar. Nicht jeder Junggeselle findet ein jüdisches Mädchen und wie sagte eine Freundin „es wird Zeit sich in anderen Gemeinden umzusehen um nicht weiter den genetischen Inzest zu begehen“. Bei Liberal eingestellten Kulturbrüdern und Schwestern ist es kein Problem sich auch mal bei den „Konvertierten“ umzusehen, die Regel ist es jedoch nicht. Nun, wenn auf diesem Weg nichts zu finden ist bleiben noch immer die jüdischen Singlesites im Web, selbst wenn der oder die Willige entfernt in Kanada, Mexiko oder New York leben.
Es tut einfach gut zu fühlen, dass es ein jüdisches Fest ist, die Gelassenheit und Heiterkeit ist in den anderen Religionen und religiösen Feiern denen ich beiwohnen durfte nicht zu spüren. Ich habe noch nie ein trauriges Gesicht gesehen, aber vielleicht auch nur weil ich froh bin wieder irgendwie zuhause zu sein.
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mark793,
Montag, 17. Oktober 2005, 01:55
Man kann also
zum Judentum konvertieren. Aber zu G*ttes auserwähltem Volk zählt man damit doch noch nicht, oder?
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nicodemus,
Montag, 17. Oktober 2005, 23:50
Doch...
… Bärbel Schäfer ist übergetreten, damit Michel Friedmanns Nachkommen auch Jüdisch geboren werden. Das ist nur möglich wenn die Mutter als Trägerin und einzige Übermittlerin der Religion und Kultur angehört. Frauen übernehmen im Haus, zum Beispiel den Baruch zum Sabbat und weitere innerhäusliche Religions- bzw. Ritualaufgaben.
Es gibt zwei hauptsächliche Strömungen: Die Liberalen in Europa, Kanada und teils in den USA akzeptieren das Übertreten zum Judentum um der Gemeinschaft in der Glaubensrichtung anzugehören, kulturell ist es etwas schwieriger und wird nicht mit einem Akt besiegelt. Die orthodoxe und konservative Einstellung wehrt sich gegen „Konvertiten“. Der Grund dafür ist in der jahrhunderte alten Erfahrung zu suchen. Sehr viele Katholiken, und hier vor allem Kleriker haben zu allen Zeiten zum Ursprung des christlichen Glaubens gefunden. Dieser Sinneswandel Einzelner war der Kirche natürlich mehr als nur suspekt und wurde bisweilen stark sanktioniert. Vor allem in den Zeiten der Inquisition litten jüdische Gemeinden – bis hin zu Pogromen, wenn sie einen „Überläufer“ aufnahmen. Der weiterer Grund für die Einstellung gegen das geburtlose Jüdischwerden ist die Tatsache einer nicht proklamierten Unfehlbarkeit der jüdischen Religion. Es wird durchaus anerkannt dass die „neuntausend Gerechten“ auch aus anderen Glaubensrichtungen kommen können und müssen. Der jüdische Glaube ist keine „monolithische“ Einrichtung und selbst unter König Salomon gab es einander widersprechende Auslegungen von Gott und dem Dienst an Gott. Dieser Umstand ist auch leicht zu verstehen wenn man die Zusammensetzung des erwählten Volkes betrachtet. Nicht nur eine einzige Nomadensippe bekannte sich zu der von Moses propagierten Glaubensrichtung, es ist anzunehmen das die Völker (Stämme Israels) ziemlich vermischt waren und ein gemeinsames Ziel hatten – sich dem Einfluss des Pharao und der ägyptischen Herrschaft zu entziehen. Ob der gemeinsame Nenner Monotheistisch matriarchal, patriarchal oder gar eine Dualität war muss an anderer Stelle bearbeitet werden.
Das Bild des Judentums ist in den Köpfen meist falsch festgesetzt. Über die Jahrhunderte oder besser Jahrtausende gab und gibt es keine übergeordnete Stelle die vorschreibt wie die Thora auszulegen ist oder welche Dogmen zu beachten sind. Hält man sich an den Talmud gibt es zwar Richtlinien die aber wiederum je nach Text und Abschnitt widersprüchlich sein können. Verbindlichkeiten in der Diaspora, betreffend die Auslegung wurden von den Rabbinern und Gemeindeältesten getroffen und galten als Richtlinie. Weitestgehend fix verankert sind Feiertage, Geburts- und Totenrituale sowie Koscheres und nicht Koscheres.
Ein liberaler Rabbiner wird Konvertiten – auch weibliche - als volle Mitglieder anerkennen und ein Rabbiner aus einer konservativen Gemeinde kann sich dagegen sperren oder das Ritual erschweren, prinzipiell Nein wird ein Lehrer seit der Aufklärung selten sagen.
Es gibt zwei hauptsächliche Strömungen: Die Liberalen in Europa, Kanada und teils in den USA akzeptieren das Übertreten zum Judentum um der Gemeinschaft in der Glaubensrichtung anzugehören, kulturell ist es etwas schwieriger und wird nicht mit einem Akt besiegelt. Die orthodoxe und konservative Einstellung wehrt sich gegen „Konvertiten“. Der Grund dafür ist in der jahrhunderte alten Erfahrung zu suchen. Sehr viele Katholiken, und hier vor allem Kleriker haben zu allen Zeiten zum Ursprung des christlichen Glaubens gefunden. Dieser Sinneswandel Einzelner war der Kirche natürlich mehr als nur suspekt und wurde bisweilen stark sanktioniert. Vor allem in den Zeiten der Inquisition litten jüdische Gemeinden – bis hin zu Pogromen, wenn sie einen „Überläufer“ aufnahmen. Der weiterer Grund für die Einstellung gegen das geburtlose Jüdischwerden ist die Tatsache einer nicht proklamierten Unfehlbarkeit der jüdischen Religion. Es wird durchaus anerkannt dass die „neuntausend Gerechten“ auch aus anderen Glaubensrichtungen kommen können und müssen. Der jüdische Glaube ist keine „monolithische“ Einrichtung und selbst unter König Salomon gab es einander widersprechende Auslegungen von Gott und dem Dienst an Gott. Dieser Umstand ist auch leicht zu verstehen wenn man die Zusammensetzung des erwählten Volkes betrachtet. Nicht nur eine einzige Nomadensippe bekannte sich zu der von Moses propagierten Glaubensrichtung, es ist anzunehmen das die Völker (Stämme Israels) ziemlich vermischt waren und ein gemeinsames Ziel hatten – sich dem Einfluss des Pharao und der ägyptischen Herrschaft zu entziehen. Ob der gemeinsame Nenner Monotheistisch matriarchal, patriarchal oder gar eine Dualität war muss an anderer Stelle bearbeitet werden.
Das Bild des Judentums ist in den Köpfen meist falsch festgesetzt. Über die Jahrhunderte oder besser Jahrtausende gab und gibt es keine übergeordnete Stelle die vorschreibt wie die Thora auszulegen ist oder welche Dogmen zu beachten sind. Hält man sich an den Talmud gibt es zwar Richtlinien die aber wiederum je nach Text und Abschnitt widersprüchlich sein können. Verbindlichkeiten in der Diaspora, betreffend die Auslegung wurden von den Rabbinern und Gemeindeältesten getroffen und galten als Richtlinie. Weitestgehend fix verankert sind Feiertage, Geburts- und Totenrituale sowie Koscheres und nicht Koscheres.
Ein liberaler Rabbiner wird Konvertiten – auch weibliche - als volle Mitglieder anerkennen und ein Rabbiner aus einer konservativen Gemeinde kann sich dagegen sperren oder das Ritual erschweren, prinzipiell Nein wird ein Lehrer seit der Aufklärung selten sagen.
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mark793,
Dienstag, 18. Oktober 2005, 01:03
Ah danke,
da seh ich schon etwas klarer - unter anderem erklärt es so manchen vermeintlichen Widerspruch. Tatsächlich wusste ich grob von Unterschieden zwischen Orthodoxen und Liberalen, aber ich hatte angenommen, zu zentralen theologischen Fragen würde sich vielleicht so ne Art Sanhedrin verbindlich äußern. Aber ok, dann ist es wie bei den Christen auch mit ihren verschiedenen Konfessionen, Fraktionen und Denominationen.
Es ist wenn man aus dem christlich (oder meinetwegen auch islamischen) Kulturkreis kommt zunächst schwer zu verstehen, wie weit die Kongruenz von Glaube und Ethnizität reicht und wo sie endet. Denn Christentum und Islam verstehen sich ja als universalistisch dergestalt, dass die Frage des Blutes keine Rolle spielt beim Übertritt. Anders gesagt, die Zugehörigkeit zur Umma oder zur Gemeinde Christi ist nicht an die Zugehörigkeit zu einem wie auch immer definierten auserwählten Volk gekoppelt.
Und da kommen wir in der Tat in einen Bereich, der zu Missverständnissen förmlich einlädt. Böswilligerweise könnte man es ja als Rassismus verstehen, dass sich die Juden für das auserwählte Volk halten, sofern dieses Merkmal auch auf ethnischen und genealogischen Aspekten fußt. Und inwieweit das der Fall ist oder nicht, das ist für den Rest der Welt, der nicht Talmud, Thora, Midrasch, Mischna und Halacha im Original studiert, gelinde gesagt sehr intransparent oder widersprüchlich. Ich denke, dass sich aus dieser Quelle von Unkenntnis und Vorurteil möglicherweise so mancher Antisemitismus speist.
Auf der anderen Seite verstehe ich auch sehr gut, dass es immer wieder Christen gegeben hat, die dem Charme des "Originals" erliegen. Schließlich ist es beim besten Willen nicht zu leugnen, dass die christliche Religion bei ihrem Zug um die Welt eine ganze Menge an heidnischem Ballast aufgenommen hat. Und so wundert es nicht, dass das Judentum trotz seiner verschiedenen Auslegungsarten doch mehr als Einheit wahrgenommen wird als das Christentum, in dem ja nicht mal Einigkeit über die Dreifaltigkeitslehre oder die Anzahl der Sakramente besteht. Aber da ist die dritte Buchreligion mit Sunna, Schia und septimanischen Neuismaeliten auch nicht besser dran... ;o)
Es ist wenn man aus dem christlich (oder meinetwegen auch islamischen) Kulturkreis kommt zunächst schwer zu verstehen, wie weit die Kongruenz von Glaube und Ethnizität reicht und wo sie endet. Denn Christentum und Islam verstehen sich ja als universalistisch dergestalt, dass die Frage des Blutes keine Rolle spielt beim Übertritt. Anders gesagt, die Zugehörigkeit zur Umma oder zur Gemeinde Christi ist nicht an die Zugehörigkeit zu einem wie auch immer definierten auserwählten Volk gekoppelt.
Und da kommen wir in der Tat in einen Bereich, der zu Missverständnissen förmlich einlädt. Böswilligerweise könnte man es ja als Rassismus verstehen, dass sich die Juden für das auserwählte Volk halten, sofern dieses Merkmal auch auf ethnischen und genealogischen Aspekten fußt. Und inwieweit das der Fall ist oder nicht, das ist für den Rest der Welt, der nicht Talmud, Thora, Midrasch, Mischna und Halacha im Original studiert, gelinde gesagt sehr intransparent oder widersprüchlich. Ich denke, dass sich aus dieser Quelle von Unkenntnis und Vorurteil möglicherweise so mancher Antisemitismus speist.
Auf der anderen Seite verstehe ich auch sehr gut, dass es immer wieder Christen gegeben hat, die dem Charme des "Originals" erliegen. Schließlich ist es beim besten Willen nicht zu leugnen, dass die christliche Religion bei ihrem Zug um die Welt eine ganze Menge an heidnischem Ballast aufgenommen hat. Und so wundert es nicht, dass das Judentum trotz seiner verschiedenen Auslegungsarten doch mehr als Einheit wahrgenommen wird als das Christentum, in dem ja nicht mal Einigkeit über die Dreifaltigkeitslehre oder die Anzahl der Sakramente besteht. Aber da ist die dritte Buchreligion mit Sunna, Schia und septimanischen Neuismaeliten auch nicht besser dran... ;o)
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